Entscheidungsstichwort (Thema)
Urheberrecht. Richtlinie 2001/29/EG. Art. 4 Abs. 1. Verbreitung des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines Werks an die Öffentlichkeit durch Verkauf oder auf sonstige Weise. Verwendung von Werkstücken urheberrechtlich geschützter Möbel als Mobiliar in einem Verkaufsraum und als Schaufensterdekoration. Fehlende Übertragung des Eigentums oder des Besitzes
Beteiligte
Tenor
Eine Verbreitung des Originals eines Werks oder eines Vervielfältigungsstücks davon an die Öffentlichkeit auf andere Weise als durch Verkauf im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft liegt nur bei einer Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand vor. Folglich stellen weder der bloße Umstand, dass der Öffentlichkeit der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werks ermöglicht wird, noch der Umstand, dass diese Werkstücke öffentlich gezeigt werden, ohne dass die Möglichkeit zur Benutzung der Werkstücke eingeräumt wird, eine solche Verbreitungsform dar.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 16. November 2006, in dem Verfahren
Peek & Cloppenburg KG
gegen
Cassina SpA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Peek & Cloppenburg KG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Auler,
- der Cassina SpA, vertreten durch Rechtsanwalt A. Bock,
- der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecką-Tamecką als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer und W. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Januar 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Peek & Cloppenburg KG (im Folgenden: Peek & Cloppenburg) und der Cassina SpA (im Folgenden: Cassina) über die öffentliche Zurverfügungstellung und die Ausstellung von Möbeln, durch die nach Ansicht von Cassina in ihr ausschließliches Verbreitungsrecht eingegriffen wird.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Der Urheberrechtsvertrag der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) (im Folgenden: WCT-Vertrag) und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (im Folgenden: WPPT-Vertrag), die am 20. Dezember 1996 in Genf angenommen wurden, sind mit Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Gemeinschaft genehmigt worden.
Rz. 4
Art. 6 des WCT-Vertrags mit der Überschrift „Verbreitungsrecht” bestimmt:
„(1) Die Urheber von Werken der Literatur und Kunst haben das ausschließliche Recht zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer Werke durch Verkauf oder sonstige Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
(2) Dieser Vertrag berührt nicht die Freiheit der Vertragsparteien, gegebenenfalls zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sich das Recht nach Absatz 1 nach dem ersten mit Erlaubnis des Urhebers erfolgten Verkauf des Originals oder eines Vervielfältigungsstücks oder der ersten sonstigen Eigentumsübertragung erschöpft.”
Rz. 5
Nach Art. 8 des WPPT-Vertrags mit der Überschrift „Verbreitungsrecht” haben ausübende Künstler ein ausschließliches Recht zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer auf Tonträgern festgelegten Darbietungen durch Verkauf oder sonstige Eigentumsübertragung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Rz. 6
Art. 12 des WPPT-Vertrags sieht ein entsprechendes Recht für die Hersteller von Tonträgern vor.
Gemeinschaftsrecht
Rz. 7
In den Erwägungsgründen 9 bis 11, 15 und 28 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. …
(10) Wenn Urh...