Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Prüfung von Amts wegen durch das nationale Gericht, ob ein Vertrag in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt. Begriff ‚Gewerbetreibender’. Hochschule, die im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Vertrag über die zinslose Teilzahlung der Studiengebühren und des Beitrags für eine Studienreise

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 2 Buchst. c

 

Beteiligte

Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen

Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen VZW

Susan Romy Jozef Kuijpers

 

Tenor

1. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das nach innerstaatlichem Prozessrecht befugt ist, von Amts wegen zu prüfen, ob die Klausel, die Gegenstand der Klage ist, gegen zwingende nationale Bestimmungen verstößt, im Säumnisfall von Amts wegen prüfen muss, ob der Vertrag, der die Klausel enthält, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt und gegebenenfalls, ob die Klausel missbräuchlich ist.

2. Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass eine freie Bildungseinrichtung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die mit einer ihrer Studierenden durch einen Vertrag Zahlungserleichterungen für Beträge vereinbart hat, die diese als Studiengebühren und als Beitrag für eine Studienreise schuldete, in Bezug auf diesen Vertrag als „Gewerbetreibender” im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, so dass der Vertrag in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vredegerecht te Antwerpen (Friedensgericht Antwerpen, Belgien) mit Entscheidung vom 10. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 14. März 2016, in dem Verfahren

Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen VZW

gegen

Susan Romy Jozef Kuijpers

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der belgischen Regierung, vertreten durch J. Van Holm, M. Jacobs, L. Van den Broeck und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand der Sachverständigen P. Cambie und B. Zammitto,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. November 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Karel de Grote – Hogeschool Katholieke Hogeschool Antwerpen VZW, einer freien Bildungseinrichtung mit Sitz in Antwerpen (Belgien) (im Folgenden: KdG), und Frau Susan Romy Jozef Kuijpers wegen Studiengebühren und eines Beitrags für eine Studienreise, die bzw. den Frau Kuijpers zuzüglich Zinsen und Kosten zurückzuzahlen hat, sowie wegen Zahlung einer Entschädigung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. Von dieser Richtlinie ausgenommen sind daher insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts.”

Rz. 4

Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten müssen jedoch dafür sorgen, dass darin keine missbräuchlichen Klauseln enthalten sind, zumal diese Richtlinie auch für die gewerbliche Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rahmen gilt.”

Rz. 5

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.”

Rz. 6

In Art. 2 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

b) ‚Verbraucher’: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

c) ‚Gewerbetreibender’: eine natürliche oder jurist...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge