Entscheidungsstichwort (Thema)

Portugiesische Vermarktungsabgabe auf Fleisch ist keine unzulässige Umsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Wie in seinem Urteil vom 17.9.1997 in der Rechtssache C-347/95 für die portugiesische Abgabe auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen stellt der EuGH auch für die portugiesische Vermarktungsabgabe für Fleisch fest, daß sie nicht den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne von Artikel 33 der 6. EG-Richtlinie hat und deshalb als nationale Abgabe erhoben werden darf. Wie die Abgabe für die Milcherzeugnisse kann es sich aber um eine nach Artikel 95 EG-Vertrag verbotene diskriminierende inländische Abgabe handeln. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu untersuchen.

 

Beteiligte

Fricarnes

Fazenda Pública

Fricarnes SA

 

Gründe

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer)

„Nationale Vermarktungsabgaben auf Fleisch – Abgabe gleicher Wirkung – Inländische Abgabe – Umsatzsteuer”

In der Rechtssache C-28/96

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Fazenda Pública

gegen

Fricarnes SA

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 9, 12 und 95 EG-Vertrag sowie des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)

erläßt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida sowie der Richter L. Sevón, C. Gulmann, J.-P. Puissochet und M. Wathelet (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Tesauro

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Fazenda Pública, vertreten durch Rechtsanwältin Maria Aldina Moreira, Lissabon,

der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luís Fernandes, Leiter des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften des Außenministeriums, und Rui Barreira, Berater in der Rechtsabteilung des Präsidenten des Ministerrates, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater António Caeiro und durch Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Fricarnes SA, vertreten durch Rechtsanwalt Olivier Brusson, Hauts-de-Seine, der portugiesischen Regierung, vertreten durch Luís Fernandes, und der Kommission, vertreten durch António Caeiro, in der Sitzung vom 28. November 1996,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 1997,

folgendes

Urteil

1 Das Supremo Tribunal Administrativo hat mit Urteil vom 4. Oktober 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Februar 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 9, 12 und 95 EG-Vertrag sowie des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Fazenda Pública (portugiesisches Finanzministerium) und der Gesellschaft Fricarnes wegen Nichtzahlung der Vermarktungsabgaben auf Fleisch, Schlachtabfälle und Wiederkäuer sowie der Schweinepestabgabe (im folgenden: Vermarktungsabgaben auf Fleisch) durch Fricarnes.

3 Gemäß Artikel 1 des Decreto-Lei Nr. 343/86 vom 9. Oktober 1986 werden die Abgaben auf inländisches oder eingeführtes und zum öffentlichen Verbrauch bestimmtes frisches oder gefrorenes Fleisch sowie solche Schlachtabfälle und Eier erhoben. In dem für den Ausgangsrechtsstreit maßgebenden Zeitraum galten für die Abgabe folgende Sätze:

  1. „1. 3 ESC je Kilogramm Fleisch und Schlachtabfälle von Rindern, Schweinen, Ziegen und Pferden;
  2. 1,5 ESC je Kilogramm Fleisch und Schlachtabfälle von Geflügel;
  3. 1,2 ESC je Dutzend Eier.”

4 Die Abgabe auf Wiederkäuer wurde durch Decreto-Lei Nr. 240/82 vom 22. Juni 1982 eingeführt. Die Einnahmen aus dieser Abgabe waren speziell zur Bekämpfung der Wiederkäuerkrankheiten bestimmt. Gemäß Artikel 1 Absätze 1 und 2 dieses Decreto-Lei erfaßte sie für den Verbrauch in Portugal „geschlachtetes oder eingeführtes Fleisch”.

5 Die Schweinepestabgabe wurde durch Decreto-Lei Nr. 44 158 vom 17. Januar 1962 eingeführt; ihre Sätze wurden wiederholt angepaßt.

6 Ursprünglich stand das Aufkommen aus diesen Abgaben der Junta Nacional dos Produtos Pecuários (Nationales Amt für Viehzuchterzeugnisse), einer 1939 geschaffenen Einrichtung für wirtschaftliche Koordination, zu.

7 Im Anschluß an den Beitritt der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften wurden alle Rechte und Befugnisse dieser Einrichtung durch Decreto-Lei Nr. 15/87 vom 9. Januar 1987 a...

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