Entscheidungsstichwort (Thema)

Portugiesische Gebühr auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen ist keine Umsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Der EuGH hatte die Frage zu untersuchen, ob in Portugal erhobene Gebühren auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen gegen Artikel 95 EG-Vertrag verstoßen bzw. ob es sich hierbei um Umsatzsteuern im Sinne des Artikels 33 der 6. EG-Richtlinie handelt.

Nach dem Urteil sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, Steuern einzuführen oder beizubehalten, die nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer aufweisen. Eine ausschließlich auf bestimmte Erzeugnisse erhobene Steuer, die nicht proportional zum Preis zum Erzeugnisse ist, nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben wird und sich nicht auf den Mehrwert der Erzeugnisse bezieht, weist nach dem Urteil die Merkmale einer Umsatzsteuer nicht auf.

 

Beteiligte

UCAL

Fazenda Pública

União das Cooperativas Abastecedoras de Leite de Lisboa, UCRL (UCAL)

 

Gründe

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

„Nationale Abgabe auf die Vermarktung von Milcherzeugnissen – Abgabe gleicher Wirkung – Inländische Abgabe – Umsatzsteuer”

In der Rechtssache C-347/95

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Fazenda Pública[1]

gegen

União das Cooperativas Abastecedoras de Leite de Lisboa, UCRL (UCAL)

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 9, 12 und 95 EG-Vertrag sowie des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)

erläßt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida sowie der Richter L. Sevón, D. A. O. Edward, P. Jann und M. Wathelet (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Tesauro

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Fazenda Pública, vertreten durch Rechtsanwältin Maria Aldina Moreira, Lissabon,

der Portugiesischen Republik, vertreten durch Luís Fernandes, Leiter des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für die Europäischen Gemeinschaften des Außenministeriums, und Luís Augusto Máximo dos Santos, Assistent an der Universität Lissabon, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater António Caeiro und durch Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 1997,

folgendes

Urteil

1. Das Supremo Tribunal Administrativo hat mit Urteil vom 11. Oktober 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 9, 12 und 95 EG-Vertrag sowie des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Fazenda Pública (portugiesisches Finanzministerium) und der União das Cooperativas Abastecedoras de Leite de Lisboa, UCRL (Verband der Milchgenossenschaften von Lissabon; im folgenden: UCAL), wegen Nichtzahlung der Vermarktungsabgaben auf Milcherzeugnisse gemäß Artikel 1 des Decreto-Lei Nr. 309/86 vom 23. September 1986 durch die UCAL.

3. Nach dieser Vorschrift „[gelten] für die Abgaben auf einheimische oder eingeführte Milchprodukte, die zum menschlichen Verbrauch bestimmt sind, … folgende Sätze:

Butter: 4 ESC/kg

Aromatisierte Milch und Schokoladenmilch: 1 ESC/Liter.”

4. Ursprünglich stand das Aufkommen aus diesen Abgaben der Junta Nacional dos Produtos Pecuários (Nationales Amt für Viehzuchterzeugnisse), einer 1939 geschaffenen Einrichtung für wirtschaftliche Koordination, zu.

5. Im Anschluß an den Beitritt der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften wurden alle Rechte und Befugnisse dieser Einrichtung durch Decreto-Lei Nr. 15/87 vom 9. Januar 1987 auf eine neu geschaffene öffentliche Einrichtung, das Instituto Regulador e Orientador dos Mercados Agrícolas (Institut für die Regulierung und Ausrichtung der Agrarmärkte; im folgenden: IROMA), übertragen.

6. Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Decreto-Lei Nr. 15/87 hatte das IROMA, eine Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit sowie Finanz- und Verwaltungsautonomie, die Märkte für Agrar- und Viehzuchterzeugnisse zu verwalten und zu koordinieren. Im einzelnen waren dem IROMA folgende Aufgaben übertragen: Schaffung der nach den nationalen und gemeinschaftlichen Interventionsregelungen für diese Erzeugnisse vorgesehenen institutionellen Preisgarantien und Zuteilung von Prämien, Beihilfen und Subventio...

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