Entscheidungsstichwort (Thema)
GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN. RICHTLINIE 76/207/EWG. ARTIKEL 2 ABSATZ 4. BEFOERDERUNG. GLEICHE QUALIFIKATION VON BEWERBERN UNTERSCHIEDLICHEN GESCHLECHTS. VORRANG DER WEIBLICHEN BEWERBER. Sozialpolitik. Männer und Frauen. Zugang zur Beschäftigung und Arbeitsbedingungen. Gleichbehandlung. Ausnahmen. Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen. Tragweite. Nationale Vorschrift, die der Beförderung von Frauen im Wettbewerb mit Männern bei gleicher Qualifikation automatisch den Vorrang einräumt, wenn erstere unterrepräsentiert sind. Unzulässigkeit
Normenkette
Richtlinie 76/207 des Rates Art. 2 Abs. 1, 4
Beteiligte
Tenor
Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der, wie im vorliegenden Fall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
Tatbestand
ECKHARD KALANKE GEGEN FREIE HANSESTADT BREMEN.
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESARBEITSGERICHT – DEUTSCHLAND.
RECHTSSACHE C-450/93.
Sammlung der Rechtsprechung 1995 Seite I-03051
Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der jeweiligen Personalgruppe einer Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Funktionsebenen gelten soll.
Artikel 2 Absatz 4 der genannten Richtlinie, der eng auszulegen ist, dient nämlich, indem er vorsieht, daß die Richtlinie nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen beeinträchtigen, entgegensteht, dem bestimmten und begrenzten Zweck der Zulassung von Maßnahmen, die zwar dem Anschein nach diskriminierend sind, tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern sollen. So sind danach nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs zulässig, die die Frauen spezifisch begünstigen und darauf ausgerichtet sind, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie die Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen. Eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräumt, stellt keine solche Maßnahme dar, da sie über die Förderung der Chancengleichheit hinausgeht und an deren Stelle das Ergebnis setzt, zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen könnte.
Entscheidungsgründe
1 Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluß vom 22. Juni 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40; nachstehend: die Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Kalanke (nachstehend: Kläger) und der Freien Hansestadt Bremen (nachstehend: Stadt Bremen).
3 § 4 des Landesgleichstellungsgesetzes vom 20. November 1990 (Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau im öffentlichen Dienst des Landes Bremen, Bremisches Gesetzblatt, S. 433; nachstehend: LGG) lautet:
„Einstellung, Übertragung eines Dienstpostens und Beförderung
(1) Bei der Einstellung, einschließlich der Begründung eines Beamten- und Richterverhältnisses, die nicht zum Zwecke der Ausbildung erfolgt, sind Frau...