Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sortenschutz. Ausnahmeregelung gemäß Art. 14. Auskunftsersuchen. Von amtlichen Stellen erteilte Auskünfte. Auskunftsersuchen zur tatsächlichen Verwendung von Vermehrungsmaterial bestimmter Arten oder Sorten. Inhalt des Ersuchens
Normenkette
EGV 2100/94; EGV 1768/95 (NachbauVO) Art. 11 Abs. 1-2
Beteiligte
Saatgut-Treuhandverwaltung |
Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH |
Tenor
Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz ist dahin auszulegen, dass er für den Inhaber eines gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts keine Möglichkeit vorsieht, von einer amtlichen Stelle Auskünfte zur Verwendung von Vermehrungsmaterial von Arten zu verlangen, ohne dass im entsprechenden Ersuchen die geschützte Sorte, für die diese Auskünfte verlangt werden, konkret genannt ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Thüringer Oberlandesgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2018, in dem Verfahren
Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH
gegen
Freistaat Thüringen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte K. von Gierke und F. Moos,
- des Freistaats Thüringen, vertreten durch Rechtsanwälte J. Liebergeld, S. Ernst, R. Ruppel, S. Bloß und J. Löhr,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und G. Koleva als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Mai 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1995, L 173, S. 14).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (im Folgenden: STV) und dem Freistaat Thüringen wegen dessen Weigerung, der STV Auskünfte aus einer Datenbank zu übermitteln, die durch Angaben von Landwirten gespeist wird, die diese im Rahmen der Beantragung von Fördergeldern aus Europäischen Landwirtschaftsfonds machen.
Rechtlicher Rahmen
Grundverordnung
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 17 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1994, L 227, S. 1, im Folgenden: Grundverordnung) lauten:
„Im Übrigen muss die Ausübung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes Beschränkungen unterliegen, die durch im öffentlichen Interesse erlassene Bestimmungen festgelegt sind.
Dazu gehört auch die Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Zu diesem Zweck müssen die Landwirte die Genehmigung erhalten, den Ernteertrag unter bestimmten Bedingungen für die Vermehrung zu verwenden.”
Rz. 4
Art. 5 („Gegenstand des gemeinschaftlichen Sortenschutzes”) Abs. 1 und 2 der Verordnung bestimmt:
„(1) Gegenstand des gemeinschaftlichen Sortenschutzes können Sorten aller botanischen Gattungen und Arten, unter anderem auch Hybriden zwischen Gattungen oder Arten sein.
(2) Eine ‚Sorte’ im Sinne dieser Verordnung ist eine pflanzliche Gesamtheit innerhalb eines einzigen botanischen Taxons der untersten bekannten Rangstufe …”
Rz. 5
Art. 13 („Rechte des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes und verbotene Handlungen”) Abs. 2 der Verordnung sieht vor:
„(1) Der gemeinschaftliche Sortenschutz hat die Wirkung, dass allein der oder die Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes, im Folgenden ‚Inhaber’ genannt, befugt sind, die in Absatz 2 genannten Handlungen vorzunehmen.
(2) Unbeschadet der Artikel 15 und 16 bedürfen die nachstehend aufgeführten Handlungen in Bezug auf Sortenbestandteile oder Erntegut der geschützten Sorte … der Zustimmung des Inhabers:
- Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung),
- Aufbereitung zum Zweck der Vermehrung,
- Anbieten zum Verkauf,
- Verkauf oder sonstiges Inverkehrbringen,
- Ausfuhr aus der [Europäischen Union],
- Einfuhr in die [Union],
- Aufbewahrung zu einem der unter den Buchstaben a) bis f) genannten Zwecke.
Der Inhaber kann seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen.”
Rz. 6
Art. 14 („Abweichung vom gemeinschaftlichen Sortenschutz”) der Verordnung bestimmt:
„(1) Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu Ve...