Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Pauschalreise. Kumulative Anwendung. Grenzen. Ausgleichsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung. Fluggäste, die im Voraus über die Nichtbeförderung unterrichtet wurden. Falsche Information. Reiseunternehmen, das die Fluggäste auf einen anderen Flug umbucht. Flug, der gleichwohl vom ausführenden Luftfahrtunternehmen wie ursprünglich geplant durchgeführt wird. Dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegende Pflicht zur Ausgleichsleistung. Möglichkeit, vom Reiseunternehmen Schadensersatz zu verlangen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 3 Abs. 6; RL 2302/2015/EU Art. 14 Abs. 5; Verordnung Nr. 261/2004 Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 13
Beteiligte
Tenor
Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004
ist dahin auszulegen, dass
ein Fluggast, der im Rahmen einer Pauschalreise eine bestätigte Buchung für einen Flug hatte, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen die Ausgleichsleistung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung verlangen kann, wenn der Reiseveranstalter dem Fluggast – ohne zuvor das Luftfahrtunternehmen hierüber zu informieren – mitgeteilt hat, dass der ursprünglich vorgesehene Flug nicht durchgeführt werde, obwohl dieser wie vorgesehen stattfand.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-650/23 [Hembesler](
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Korneuburg (Österreich) (C-650/23) und vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) (C-705/23) mit Entscheidungen vom 22. August 2023 und vom 2. November 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2023 und am 17. November 2023, in den Verfahren
E EAD
gegen
DW(C-650/23)
und
Flightright GmbH
gegen
Condor Flugdienst GmbH(C-705/23)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Neunten Kammer N. Jääskinen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer, des Richters M. Gavalec (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der E EAD, vertreten durch Rechtsanwalt G. Dirnberger,
- – von DW, vertreten durch Rechtsanwalt A. Skribe,
- – der Flightright GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte M. Michel und R. Weist,
- – der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
- – der ungarischen Regierung, vertreten durch D. Csoknyai und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. j, Art. 4 und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen E EAD (im Folgenden: E), einem Luftfahrtunternehmen, und einem Fluggast (Rechtssache C-650/23) sowie zwischen der Flightright GmbH, einer Gesellschaft für Rechtshilfe, an die zwei Fluggäste ihre etwaigen Ansprüche auf Ausgleichsleistungen abgetreten haben, und der Condor Flugdienst GmbH (im Folgenden: Condor), einem Luftfahrtunternehmen (Rechtssache C-705/23), betreffend die an diese Fluggäste zu zahlenden Ausgleichsleistungen im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004.
Rechtlicher Rahmen
VerordnungNr.261/2004
Rz. 3
Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„Die Maßnahmen der [Europäischen] Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.“
Rz. 4
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen‘ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden ...