Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000. Insolvenzverfahren. Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens. Im anwendbaren nationalen Recht festgelegte Voraussetzungen, die die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens verhindern. Gläubiger, der befugt ist, die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens zu beantragen
Beteiligte
Procureur-generaal bij het hof van beroep te Antwerpen |
Tenor
1. Der Ausdruck „die Bedingungen, die … vorgesehen sind” in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, der auf die Voraussetzungen verweist, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in diesem Staat verhindern, ist dahin auszulegen, dass er sich nicht auf die Voraussetzungen bezieht, nach denen bestimmte Personen aus dem Kreis derjenigen ausgeschlossen sind, die befugt sind, die Eröffnung eines solchen Verfahrens zu beantragen.
2. Der Begriff „Gläubiger” in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der genannten Verordnung, der den Kreis der Personen bezeichnet, die befugt sind, die Eröffnung eines unabhängigen Partikularverfahrens zu beantragen, ist dahin auszulegen, dass er die Behörde eines Mitgliedstaats, die nach dessen nationalem Recht den Auftrag hat, im Allgemeininteresse zu handeln, aber weder als Gläubiger noch im Namen und für Rechnung der Gläubiger eingreift, nicht umfasst.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van Cassatie (Belgien) mit Entscheidung vom 4. Februar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 2010, in dem Verfahren
Procureur-generaal bij het hof van beroep te Antwerpen
gegen
Zaza Retail BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Zaza Retail BV, vertreten durch M. Cordewener, advocaat,
- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki, Z. Chatzipavlou und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters und S. Petrova als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1, im Folgenden: Verordnung).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Procureur-generaal bij het hof van beroep te Antwerpen (Generalstaatsanwalt beim Berufungsgericht Antwerpen, Belgien) und der Zaza Retail BV (im Folgenden: Zaza Retail), einer Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), über eine Klage des genannten Generalstaatsanwalts auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer belgischen Niederlassung von Zaza Retail.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 12. Erwägungsgrund der Verordnung sieht vor:
„Diese Verordnung gestattet die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen. Zum Schutz der unterschiedlichen Interessen gestattet diese Verordnung die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren parallel zum Hauptinsolvenzverfahren. Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat. Seine Wirkungen sind auf das in dem betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Zwingende Vorschriften für die Koordinierung mit dem Hauptinsolvenzverfahren tragen dem Gebot der Einheitlichkeit des Verfahrens in der Gemeinschaft Rechnung.”
Rz. 4
Der 17. Erwägungsgrund der Verordnung sieht vor:
„Das Recht, vor der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, sollte nur einheimischen Gläubigern oder Gläubigern der einheimischen Niederlassung zustehen beziehungsweise auf Fälle beschränkt sein, in denen das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht zulässt. Der Grund für diese Beschränkung ist, dass die Fälle, in denen die Eröffnung eines Partikularverfahrens vor dem Hauptinsolvenzverfahren beantragt wird, auf das unumgängliche Maß beschränkt werden s...