Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot von Diskriminierungen wegen des Alters. Nationale Regelung, die für die Einstellung von Polizeikommissaren eine Höchstaltersgrenze von 30 Jahren festlegt. Rechtfertigungsgründe

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21; Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

Ministero dell'Interno

VT

Ministero dell'Interno

Ministero dell'Interno – Dipartimento della Pubblica Sicurezza – Direzione centrale per le risorse umane

 

Tenor

Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind im Licht von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach für die Teilnahme an einem Auswahlverfahren zur Einstellung von Polizeikommissaren eine Höchstaltersgrenze von 30 Jahren gilt, soweit die von den Polizeikommissaren tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben keine besondere körperliche Eignung erfordern, oder, wenn sie eine solche Eignung erfordern, eine solche Regelung zwar ein legitimes Ziel verfolgt, aber eine unangemessene Anforderung aufstellt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 23. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2021, in dem Verfahren

VT

gegen

Ministero dell'Interno,

Ministero dell'Interno – Dipartimento della Pubblica Sicurezza – Direzione centrale per le risorse umane

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von VT, vertreten durch A. Bonanni und P. Piselli, Avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von E. De Bonis und G. M. De Socio, Avvocati dello Stato,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und D. Recchia als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie von Art. 3 EUV, Art. 10 AEUV und Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den VT gegen das Ministero dell'Interno (Innenministerium, Italien) und das Ministero dell'Interno – Dipartimento della Pubblica Sicurezza – Direzione centrale per le risorse umane (Innenministerium – Abteilung öffentliche Sicherheit – Zentraldirektion Humanressourcen, Italien) führt. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Entscheidung, VT nicht zur Teilnahme an einem Auswahlverfahren zur Besetzung von Stellen als Kommissar der Polizia di Stato (staatliche Polizei, Italien) zuzulassen, da er die hierfür vorgesehene Höchstaltersgrenze überschritten habe.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 18 und 23 der Richtlinie 2000/78 lauten:

„(18) Insbesondere darf mit dieser Richtlinie den Streitkräften sowie der Polizei, den Haftanstalten oder den Notfalldiensten unter Berücksichtigung des rechtmäßigen Ziels, die Einsatzbereitschaft dieser Dienste zu wahren, nicht zur Auflage gemacht werden, Personen einzustellen oder weiter zu beschäftigen, die nicht den jeweiligen Anforderungen entsprechen, um sämtliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen übertragen werden können.

(23) Unter sehr begrenzten Bedingungen kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein Merkmal, das mit … dem Alter … zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. …”

Rz. 4

Zweck der Richtlinie 2000/78 ist gemäß ihrem Art. 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Rz. 5

In Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung’”) der Richtlinie heißt es:

„(1) Im Sinne dieser Richt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge