Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage aus außervertraglicher Haftung gegen die Europäische Kommission. Beurteilung des außervertraglichen Charakters des Rechtsstreits. Zuständigkeiten der Gemeinschaftsgerichte
Normenkette
EG Art. 225 Abs. 1, Art. 235, 288 Abs. 2
Beteiligte
Kommission / Systran und Systran Luxembourg |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Dezember 2010, Systran und Systran Luxembourg/Kommission (T-19/07), wird aufgehoben.
2. Die Klage der Systran SA und der Systran Luxembourg SA in der Rechtssache T-19/07 wird abgewiesen.
3. Die Systran SA und die Systran Luxembourg SA tragen die der Europäischen Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union und vor dem Gericht der Europäischen Union entstandenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 26. Februar 2011,
Europäische Kommission, vertreten durch T. van Rijn, E. Montaguti und J. Samnadda als Bevollmächtigte im Beistand von A. Berenboom, advocaat, und M. Isgour, avocat,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Systran SA mit Sitz in Paris (Frankreich),
Systran Luxembourg SA mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg),
Prozessbevollmächtigte: J.-P. Spitzer und E. De Boissieu, avocats,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter M. Ilešič, E. Levits und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2012,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. November 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Dezember 2010, Systran und Systran Luxembourg/Kommission (T-19/07, Slg. 2010, II-6083, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht sie verurteilt hat, an die Systran SA (im Folgenden: Systran) einen Pauschalbetrag von 12 001 000 Euro als Ersatz für den Schaden zu zahlen, der ihr durch die Verletzung ihrer Urheberrechte und ihres Know-how im Anschluss an eine Ausschreibung der Kommission für die Wartung/Pflege und linguistische Verbesserung des maschinellen Übersetzungssystems der Kommission entstanden ist.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die ursprüngliche Version des maschinellen Übersetzungssystems Systran (SYStem TRANslation), „Systran Mainframe”, wurde 1968 entwickelt und von der World Translation Center Inc. (im Folgenden: WTC) und anderen verbundenen Gesellschaften vermarktet (im Folgenden zusammen: WTC-Gruppe).
Rz. 3
Die Kommission begann zunächst nach Abschluss eines Vertrags mit WTC im Jahr 1975, dieses System in seiner Version „EC-Systran Mainframe” für ihre Übersetzungsdienste zu nutzen. Sie unterzeichnete darüber hinaus zwischen 1976 und 1987 mehrere Verträge mit Gesellschaften der WTC-Gruppe, um zum einen das maschinelle Übersetzungssystem Systran zu verbessern und zum anderen neue Sprachenpaare zu entwickeln, insgesamt neun Sprachenpaare.
Rz. 4
Durch eine Reihe von Verträgen, die ab September 1985 geschlossen wurden, erwarb die Gachot SA (im Folgenden: Gachot) die Gesellschaften der WTC-Gruppe, die Eigentümer der Systran-Technologie und der Version Systran Mainframe des maschinellen Übersetzungssystems Systran waren. Diese Gruppe wurde nach dem Erwerb zur Systran-Gruppe.
Rz. 5
Am 4. August 1987 unterzeichneten die Systran-Gruppe und die Kommission einen Vertrag über die gemeinsame Organisation der Weiterentwicklung und Verbesserung des maschinellen Übersetzungssystems Systran für die gegenwärtigen und die künftigen Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaft sowie über seine Durchführung (im Folgenden: Vertrag über Zusammenarbeit). Nach den Art. 11 und 12 des Vertrags über Zusammenarbeit gilt für diesen Vertrag belgisches Recht, und Streitigkeiten zwischen den Parteien bezüglich der Auslegung, Erfüllung oder Nichterfüllung des Vertrags sind vor einem Schiedsgericht auszutragen.
Rz. 6
Außerdem schloss die Kommission zwischen 1988 und 1989 mit Gachot, die später selbst „Systran” hieß, vier weitere Verträge zwecks Erwerbs eines „Nutzungsrechts” an dem maschinellen Übersetzungssystem Systran für die Sprachenpaare Deutsch-Englisch, Deutsch-Französisch, Englisch-Griechisch, Spanisch-Englisch und Spanisch-Französisch.
Rz. 7
Im Dezember 1991 kündigte die Kommission den Vertrag über Zusammenarbeit mit der Begründung, dass Systran ihren Vertragspflichten nicht nachgekommen sei. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags für Zusammenarbeit umfasste die Version EC-Systran Mainframe des maschinellen Übersetzungssystems Systran 16 Sprachversionen.
Rz. 8
In der Folgezeit entwickelte und vermarktete die Systran-Gruppe eine neue Version des maschinellen Übersetz...