Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Effektivitätsgrundsatz. Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen. Verspätete Umsetzung der Richtlinie. Zeitliche Geltung. Verjährungsfrist. Modalitäten des dies a quo. Beendigung der Zuwiderhandlung. Kenntnis der für die Erhebung der Schadensersatzklage unerlässlichen Informationen. Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, im Amtsblatt der Europäischen Union. Bindungswirkung eines noch nicht bestandskräftigen Beschlusses der Kommission. Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist während der Untersuchung der Kommission oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Beschluss bestandskräftig wird
Normenkette
AEUV Art. 102; Richtlinie 2014/104/EU; Richtlinie 2014/104/EU Art. 10
Beteiligte
Heureka Group (Comparateurs de prix en ligne) |
Tenor
Art. 10 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union sowie Art. 102 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz
sind dahin auszulegen, dass
sie einer nationalen Regelung, die in ihrer Auslegung durch die zuständigen nationalen Gerichte für Schadensersatzklagen wegen fortgesetzter Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsieht, entgegenstehen, wenn diese Frist
- –
- für jeden aus einer solchen Zuwiderhandlung resultierenden partiellen Schaden unabhängig und gesondert ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Geschädigte Kenntnis davon, dass er einen solchen partiellen Schaden erlitten hat, und von der Identität des Ersatzpflichtigen erlangt hat oder seine Kenntniserlangung vernünftigerweise erwartet werden kann, ohne dass der Geschädigte Kenntnis davon erlangt hat, dass das betreffende Verhalten eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstellt, und ohne dass die Zuwiderhandlung beendet wurde, und
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- während der Untersuchung einer solchen Zuwiderhandlung durch die Europäische Kommission weder gehemmt noch unterbrochen werden darf.
Zudem steht auch Art. 10 der Richtlinie 2014/104 einer solchen Regelung entgegen, wenn sie nicht vorsieht, dass die Verjährungsfrist zumindest für die Dauer eines Jahres, nachdem die Zuwiderhandlungsentscheidung bestandskräftig geworden ist, gehemmt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache C-605/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 29. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 30. September 2021, in dem Verfahren
Heureka Group a.s.
gegen
Google LLC
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan, T. von Danwitz und Z. Csehi, der Richter J.-C. Bonichot, S. Rodin, J. Passer und D. Gratsias, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Heureka Group a.s., vertreten durch L. Duffek, L. Kačerová, J. Měkota, M. Olík und V. Podešva, Advokáti,
- – der Google LLC, vertreten durch R. Neruda, P. J. Pipková, J. Šturm, P. Vohnický und M. Vojáček, Advokáti, und durch A. Komninos, Dikigoros,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Khan, G. Meessen und P. Němečková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. September 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV, Art. 10, Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1) sowie des Effektivitätsgrundsatzes.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Heureka Group a.s. (im Folgenden: Heureka), einem auf dem Markt für Verkaufspreisvergleichsdienste tätigen tschechischen Unternehmen, und der Google LLC über den Ersatz des Schadens, der durch eine von Google und ihrer Muttergesellschaft, der Alphabet, Inc., begangene und von der Europäischen Kommission in einem noch nicht bestandskräftigen Beschluss festgestellte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV entstanden sein soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 1/200...