Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Unionsmarke. Internationale Zuständigkeit. Verletzungsklage gegen eine Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat. Enkelgesellschaft mit Sitz im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts. Begriff ‚Niederlassung’
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 97 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige rechtlich selbständige Gesellschaft, die eine Enkelgesellschaft eines Stammhauses ist, das seinen Sitz nicht in der Union hat, eine „Niederlassung” dieses Stammhauses im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 2015, in dem Verfahren
Hummel Holding A/S
gegen
Nike Inc.,
Nike Retail BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Hummel Holding A/S, vertreten durch Rechtsanwalt T. Bösling,
- der Nike Retail BV und der Nike Inc., vertreten durch Rechtsanwälte B. Führmeyer und F. Klein,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, T. Scharf und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Januar 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Hummel Holding A/S einerseits und der Nike Inc. sowie ihrer Tochtergesellschaft Nike Retail BV andererseits betreffend die angebliche Verletzung einer internationalen Marke von Hummel Holding mit Wirkung in der Europäischen Union durch die beiden Letztgenannten.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 11 bis 13 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) lauten:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
(13) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet wie folgt:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”
Rz. 5
Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:
„Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich der Artikel 22 und 23 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen.”
Verordnung Nr. 207/2009
Rz. 6
Die Verordnung Nr. 207/2009 wurde geändert durch die Verordnung (EU) 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 (ABl. 2015, L 341, S. 21), die am 23. März 2016 in Kraft getreten ist. Angesichts der Zeit, in die der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens fällt, wird das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen jedoch anhand der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer vor dieser Änderung geltenden Fassung geprüft.
Rz. 7
Die Erwägungsgründe 15 bis 17 der Verord...