Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht eines Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, auf Einreise in einen Mitgliedstaat. Nachweis der Inhaberschaft eines solchen Rechts. Besitz einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers. Besitz einer Daueraufenthaltskarte
Normenkette
Richtlinie 2004/38/EG Art. 5, 10, 20
Beteiligte
Ryanair Designated Activity Company |
Ryanair Designated Activity Company |
Országos Rendőr-főkapitányság |
Tenor
1. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass der Besitz einer Daueraufenthaltskarte im Sinne von Art. 20 der Richtlinie eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, aber Familienangehörige eines Unionsbürgers und Inhaberin einer solchen Karte ist, bei der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von der Visumpflicht befreit.
2. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass der Besitz der Daueraufenthaltskarte im Sinne von Art. 20 der Richtlinie den Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der Inhaber dieser Karte ist, auch dann von der Visumpflicht befreit, wenn diese Karte von einem nicht zum Schengenraum gehörenden Mitgliedstaat ausgestellt worden ist.
3. Art. 20 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass der Besitz der Aufenthaltskarte im Sinne dieses Artikels einen ausreichenden Nachweis dafür darstellt, dass der Inhaber der Karte zum einen Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist und deshalb ohne weitere Überprüfung oder andere Nachweise das Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat und zum anderen gemäß Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie von der Visumpflicht befreit ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Budapest, Ungarn) mit Entscheidung vom 21. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Dezember 2018, in dem Verfahren
Ryanair Designated Activity Company
gegen
Országos Rendőr-főkapitányság
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), F. Biltgen und N. Wahl,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Ryanair Designated Activity Company, vertreten durch A. Csehó, Á. Illés, Á. Kollár und V. Till, ügyvédek,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, M. Tátrai und Zs. Wagner als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Brabcová als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch L. Kotroni als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti, Zs. Teleki und J. Tomkin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5, 10 und 20 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt im ABl. 2004, L 229, S. 35), sowie von Art. 26 des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19; im Folgenden: SDÜ).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ryanair Designated Activity Company (im Folgenden: Ryanair) und dem Országos Rendőr-főkapitányság (nationales Polizeipräsidium, Ungarn) wegen einer gegen Ryanair verhängten Geldbuße.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/38
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 5 und 8 der Richtlinie 2004/38 heißt es:
„(5) Das Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, sollte, wenn es unter objektiven B...