Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Unmöglichkeit für die Behörden eines Mitgliedstaats, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, weil die Flüchtlingseigenschaft zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt wurde. Gefahr, in diesem anderen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Prüfung des Asylantrags durch diese Behörden trotz Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in dem anderen Mitgliedstaat. Individuelle Prüfung
Normenkette
Richtlinie 2013/32/EU Art. 33 Abs. 2 Buchst. a; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 4; EURL 95/2011 Art. 4
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland (Effet d’une décision d’octroi du statut de réfugié) |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, Art. 4 Abs. 1 und Art. 13 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie Art. 10 Abs. 2 und 3 und Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes
sind dahin auszulegen,
dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie von der durch die letztere Bestimmung eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen kann, weil der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat, der ihm bereits einen solchen Schutz zuerkannt hat, der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt wäre, im Rahmen eines neuen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes, das gemäß den Richtlinien 2011/95 und 2013/32 geführt wird, eine neue individuelle, vollständige und aktualisierte Prüfung dieses Antrags vornehmen muss. Dabei muss sie jedoch die Entscheidung des anderen Mitgliedstaats, diesem Antragsteller internationalen Schutz zu gewähren, und die Anhaltspunkte, auf denen diese Entscheidung beruht, in vollem Umfang berücksichtigen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-753/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Beschluss vom 7. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 2022, in dem Verfahren
QY
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten E. Regan, T. von Danwitz und Z. Csehi, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei, der Richter M. Ilešič, J.-C. Bonichot, S. Rodin, I. Jarukaitis und A. Kumin, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von QY, vertreten durch Rechtsanwalt S. Kellmann,
- – der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, A. Hoesch und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- – der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, A. Van Baelen und M. Van Regemorter als Bevollmächtigte,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch A. Edelmannová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – Irlands, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Joyce und D. O’Reilly als Bevollmächtigte im Beistand von A. McMahon, BL,
- – der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis und T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
- – der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard, O. Duprat-Mazaré, B. Fodda und J. Illouz als Bevollmächtigte,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, Avvocato dello Stato,
- – der luxemburgischen Regierung, vertreten durch A. Germeaux, J. Reckinger und T. Schell als Bevollmächtigte,
- – der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
- – der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und M. Kopetzki als Bevollmächtigte,