Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen. Begriff der Zivil- und Handelssachen. Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung über die Verhängung eines Ordnungsgelds. Richtlinie 2004/48/EG. Rechte des geistigen Eigentums. Verletzung dieser Rechte. Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe. Verurteilung. Verfahren der Vollstreckbarerklärung. Prozesskosten dieses Verfahrens
Beteiligte
Tenor
1. Der Begriff „Zivil- und Handelssachen” in Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Verordnung auf die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines Gerichts anwendbar ist, die eine Verurteilung zur Zahlung eines Ordnungsgelds umfasst, um eine gerichtliche Entscheidung in einer Zivil- und Handelssache durchzusetzen.
2. Die Kosten eines in einem Mitgliedstaat angestrengten Verfahrens der Vollstreckbarerklärung, mit dem um die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung ersucht wird, die in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen eines Rechtsstreits über die Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums ergangen ist, unterfallen Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 16. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Oktober 2009, in dem Verfahren
Realchemie Nederland BV
gegen
Bayer CropScience AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, E. Juhász und D. Šváby, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Realchemie Nederland BV, vertreten durch J. A. M. Janssen, advocaat, und Rechtsanwalt T. Diekmann,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Unzeitig als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und R. Troosters als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) und von Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Realchemie Nederland BV (im Folgenden: Realchemie) und der Bayer CropScience AG (im Folgenden: Bayer) wegen der Vollstreckung von sechs Entscheidungen des Landgerichts Düsseldorf (Deutschland) in den Niederlanden, mit denen das Landgericht Düsseldorf auf die Klage von Bayer wegen Patentverletzung Realchemie untersagt hat, bestimmte Pestizide nach Deutschland einzuführen, dort zu besitzen und in den Verkehr zu bringen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 6 und 7 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:
„(6) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.
(7) Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken.”
Rz. 4
Die Erwägungsgründe 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:
„(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.
(17) Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckba...