Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatliche Beihilfen. Art. 88 Abs. 3 EG. Für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Beihilfen. Rechtsstreit zwischen dem Beihilfeempfänger und den nationalen Behörden um die Höhe rechtswidrig ausgezahlter Beihilfen. Rolle des nationalen Richters
Beteiligte
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit |
Tenor
Die nationalen Gerichte müssen einen Antrag eines Empfängers staatlicher Beihilfen im Zusammenhang mit dem Betrag dieser Beihilfen, der für einen Zeitraum vor Erlass einer Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, mit der die Vereinbarkeit dieser Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, zu zahlen wäre, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht aufgrund des in Art. 88 Abs. 3 letzter Satz EG vorgesehenen Verbots der Durchführung staatlicher Beihilfen ablehnen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 31. Juli 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2007, in dem Verfahren
Wienstrom GmbH
gegen
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter J.-C. Bonichot, J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wienstrom GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt H. R. Laurer,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch B. Alterskjær, N. Fenger und L. Young als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 88 Abs. 3 letzter Satz EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wienstrom GmbH (im Folgenden: Wienstrom) und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (im Folgenden: belangte Behörde) um die Höhe der Beihilfen, die Wienstrom nach dem Ökostromgesetz (im Folgenden: ÖG) zu gewähren sind.
Rechtlicher Rahmen
Die Beihilfemaßnahme
Rz. 3
Das ÖG regelt die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (im Folgenden: KWK-Anlagen) in Österreich.
Rz. 4
Seine erste Fassung (BGBl. I Nr. 149/2002, im Folgenden: ÖG alt) trat am 1. Januar 2003 in Kraft. Sie wurde zum 2. Oktober 2006 durch eine Novelle ersetzt (BGBl. I Nr. 105/2006, im Folgenden: ÖG neu).
Rz. 5
Um die Erzeugung von Strom durch KWK-Anlagen zu fördern, wird unter bestimmten Umständen eine Erstattung der für die Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlichen Kosten gewährt. Die Höhe dieser Förderung war durch das ÖG alt für die Jahre 2003 und 2004 auf nicht mehr als 1,5 Cent pro kWh KWK-Strom begrenzt. Ab dem Jahr 2005 wurde diese Höhe der Förderung gemäß den einschlägigen Vorschriften des ÖG alt durch die belangte Behörde bestimmt, die sie als Ergebnis ihrer Überprüfung neu festlegen kann.
Rz. 6
In den Jahren, um die es im Ausgangsverfahren geht, wurde die Maßnahme durch einen einheitlichen Zuschlag auf die an alle Endverbraucher abgegebene Strommenge finanziert, unabhängig davon, wie viel KWK-Energie diese tatsächlich verbrauchten. Dieser Zuschlag wurde an die Energie-Control GmbH abgeführt, eine staatliche Stelle, die für die Auszahlung der Förderung an die KWK-Anlagen zuständig ist.
Rz. 7
§ 30d ÖG neu hat eine rückwirkende Änderung der Maßnahme eingeführt.
Rz. 8
Er sieht vor, dass Stromhändler, die sogenannten Ökostrom oder KWK-Energie importieren und diese an inländische Endverbraucher verkaufen, sowie Endverbraucher, die diese Art Energie für den eigenen Bedarf importieren, für den Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 2003 und dem 31. Dezember 2006 berechtigt sind, die Erstattung des Förderbeitrags für Kleinwasserkraft oder für sonstigen Ökostrom oder KWK-Zuschläge für KWK-Energie zu verlangen.
Die Entscheidung der Kommission
Rz. 9
Nach einem Schriftwechsel mit den österreichischen Behörden im Jahr 2003 registrierte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die KWK-Anlagen betreffenden Maßnahmen als nicht notifizierte Beihilfen unter der Verfahrensnummer NN 162/B/2003. Die Republik Österreich meldete die im ÖG neu vorgesehenen Änderungen bei der Kommission an. Diese Anmeldung wurde unter der Verfahrensnummer N 317/B/2006 registriert.
Rz. 10
Mit der Entscheidung C (2006) 2964 endg. vom 4. Juli 2006 (ABl. C 221, S. 8, im Folgenden: Entscheidung der Kommission), beschloss die Kommission, keine Einwände zu erheben. Die Beihilfen, die mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2001, C...