Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Leistungen bei Alter. Diskriminierungsverbot. Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat vor seiner Versetzung in den Ruhestand in Altersteilzeit arbeitet. Berücksichtigung für einen Anspruch auf Altersrente in einem anderen Mitgliedstaat
Normenkette
AEUV Art. 45; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd |
Tenor
1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006, verankert ist, steht einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit voraussetzt, dass die Altersteilzeitarbeit ausschließlich nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ausgeübt wurde.
2. Der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 1992/2006, verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung ist dahin auszulegen, dass in einem Mitgliedstaat für die Anerkennung einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats absolvierten Altersteilzeitarbeit eine vergleichende Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung der in den beiden Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen zur Altersteilzeitarbeit vorzunehmen ist, um in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob die festgestellten Unterschiede geeignet sind, die Erreichung der mit den betreffenden Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats verfolgten legitimen Ziele in Frage zu stellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundessozialgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2013, in dem Verfahren
Walter Larcher
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von W. Larcher, vertreten durch R. Buschmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Oktober 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Larcher und der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd über die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.”
Rz. 4
Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
„Die Personen, für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.”
Rz. 5
Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die u. a. Leistungen bei Alter und Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen.
Rz. 6
Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Anspruchs auf die Leistungen eine...