Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Dienstleistungen im Binnenmarkt. Sachlicher Anwendungsbereich. Verkehrsdienstleistung. Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis. Konzession für eine öffentliche Dienstleistung. Anforderungen. Aufteilung des relevanten Hoheitsgebiets in fünf Lose. Mengenmäßige und territoriale Beschränkung des Zugangs zur betreffenden Tätigkeit. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Rechtfertigung. Sicherheit des Straßenverkehrs. Verhältnismäßigkeit. Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
Normenkette
Richtlinie 2006/123/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. d, Art. 15
Beteiligte
Administración General del Estado |
Confederación Nacional de Autoescuelas (CNAE) |
UTE CNAE-ITT-FORMASTER-ECT |
Asociación para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (Audica) |
Tenor
Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt
ist dahin auszulegen, dass
diese Bestimmung einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Vergabe von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis im Wege einer Konzession für eine öffentliche Dienstleistung erfolgen muss, soweit diese Regelung über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels von allgemeinem Interesse, nämlich der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit, erforderlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 6. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Mai 2021, in dem Verfahren
Administración General del Estado,
Confederación Nacional de Autoescuelas (CNAE),
UTE CNAE-ITT-FORMASTER-ECT
gegen
Asociación para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (Audica),
Ministerio Fiscal
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra, N. Jääskinen (Berichterstatter) und M. Gavalec,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Confederación Nacional de Autoescuelas (CNAE) und der UTE CNAE-ITT-FORMASTER-ECT, vertreten durch A. Jiménez-Blanco Carrillo de Albornoz und J. Machado Cólogan, Abogados, und A. R. de Palma Villalón, Procurador,
- der Asociación para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (Audica), vertreten durch J. Cremades García, S. Rodríguez Bajón und A. Ruiz Ojeda, Abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, M. H. S. Gijzen und M. J. Langer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, É. Gippini Fournier, M. Mataija und P. Němečková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. September 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Administración General del Estado (Allgemeine staatliche Verwaltung, Spanien) (im Folgenden: Allgemeine Verwaltung), der Confederación Nacional de Autoescuelas (CNAE) und der durch die CNAE-ITT-FORMASTER-ECT gebildeten befristeten Bietergemeinschaft (im Folgenden zusammen: CNAE) einerseits sowie dem Ministerio fiscal (Staatsanwaltschaft, Spanien) und der Asociación para la Defensa de los Intereses Comunes de las Autoescuelas (Audica) andererseits über die rechtliche Regelung für die Erteilung von Kursen zur Sensibilisierung und Nachschulung für den Straßenverkehr zur Wiedererlangung von Punkten für die Fahrerlaubnis.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2006/123
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 33, 40 und 70 der Richtlinie 2006/123 heißt es:
„(33) Die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen umfassen einen weiten Bereich von Tätigkeiten, die einem ständigen Wandel unterworfen sind … Die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen umfassen ferner Dienstleistungen, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher angeboten werden, wie etwa … Dienstleistungen von Architekten, Handel, die Veranstaltung von Messen, die Vermietung von Kraftfahrzeugen und Dienste von Reisebüros. … Hierbei handelt es sich sowohl um Tätigkeiten, die die räumliche Nähe zwischen Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger oder aber auch den Ortswe...