Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Staatliche Beihilfe. Begriff ‚staatliche Beihilfe’. Wohnungsbeihilfe, die vor dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union bestimmten Kategorien von Haushalten gewährt wurde. Von Kreditinstituten gegen Einräumung einer Staatsgarantie durchgeführte Abrechnung der Beihilfe. Maßnahme, die der Europäischen Kommission nicht vorab mitgeteilt wurde. Rechtswidrigkeit

 

Normenkette

AEUV Art. 107 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3

 

Beteiligte

OTP Bank

OTP Bank Nyrt

Magyar Állam

Magyar Államkincstár

 

Tenor

Die ausschließlich Kreditinstituten gewährte Garantie des ungarischen Staates nach § 25 Abs. 1 und 2 der Regierungsverordnung Nr. 12 vom 31. Januar 2001 über Wohnungsbeihilfen stellt a priori eine „staatliche Beihilfe” im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, die Selektivität einer solchen Garantie näher zu prüfen und u. a. festzustellen, ob diese Garantie im Anschluss an die Änderung der Verordnung von 2001, die im Jahr 2008 vorgenommen worden sein soll, auch anderen Wirtschaftsteilnehmern als Kreditinstituten gewährt werden kann und, falls ja, ob dieser Umstand geeignet ist, die Selektivität der Garantie in Frage zu stellen.

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Staatsgarantie ist, sofern das vorlegende Gericht sie als „staatliche Beihilfe” im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einstufen sollte, als neue Beihilfe anzusehen und unterliegt deshalb der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Europäischen Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der betreffende Mitgliedstaat dieser Pflicht nachgekommen ist, und, falls nicht, die Staatsgarantie für rechtswidrig zu erklären.

Den Begünstigten einer Staatsgarantie wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die unter Missachtung von Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurde und demzufolge rechtswidrig ist, steht nach dem Unionsrecht kein Rechtsbehelf zur Verfügung.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Törvényszék (Ungarn) mit Entscheidung vom 30. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2013, in dem Verfahren

OTP Bank Nyrt

gegen

Magyar Állam,

Magyar Államkincstár

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter E. Levits und F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der OTP Bank Nyrt, vertreten durch P. Nagy, ügyvéd,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und L. Flynn als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 107 AEUV und 108 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die OTP Bank Nyrt (im Folgenden: OTP Bank), ein ungarisches Kreditinstitut, gegen den Magyar Állam (im Folgenden: ungarischer Staat) und den Magyar Államkincstár (im Folgenden: ungarisches Schatzamt) wegen eines Erstattungsanspruchs aus einer Garantie führt, die der ungarische Staat der OTP Bank gewährt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Gemäß seinem Art. 2 Abs. 2 ist der Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) sowie der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl. 2003, L 236, S. 17, im Folgenden: Beitrittsvertrag) am 1. Mai 2004 in Kraft getreten.

Rz. 4

Nach Art. 1 Abs. 2 des Beitrittsvertrags sind die Aufnahmebedingungen und die Anpassungen der die Union begründenden Verträge in der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republi...

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