Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen. Vergabe außerhalb der Bestimmungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Erfordernis der Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung. Begriff des eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses
Normenkette
Richtlinie 92/50/EWG Art. 27
Beteiligte
Commissione Istituti Ospitalieri Valdesi (CIOV) |
Tenor
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist bei der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, der unter Art. 9 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 geänderten Fassung fällt und für den daher grundsätzlich nur die Art. 14 und 16 dieser Richtlinie gelten, gleichwohl auch verpflichtet, die Grundregeln und die allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie die daraus folgende Pflicht zur Transparenz, zu beachten, sofern dieser Auftrag zum Zeitpunkt der Vergabe einen eindeutig grenzüberschreitenden Bezug hat, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Art. 27 Abs. 3 der Richtlinie 92/50 ist dahin auszulegen, dass er nicht für öffentliche Aufträge über Dienstleistungen des Anhangs IB dieser Richtlinie gilt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Februar 2017, in dem Verfahren
Oftalma Hospital Srl
gegen
Commissione Istituti Ospitalieri Valdesi (CIOV),
Regione Piemonte,
Beteiligte:
Azienda Sanitaria Locale di Torino (TO1),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Vajda, des Richters E. Juhász (Berichterstatter) und der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Oftalma Hospital Srl, vertreten durch M. Moretto und P. Bianco, avvocati,
- der Regione Piemonte, vertreten durch M. Scisciot, avvocato,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Sclafani, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und A. Tokár als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. 1992, L 209, S. 1) in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. 1997, L 328, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 92/50).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Oftalma Hospital Srl (im Folgenden: Oftalma) und der Commissione Istituti Ospitalieri Valdesi (CIOV) (Kommission der Waldenser Krankenanstalten, Italien) und der Regione Piemonte (Region Piemont, Italien) über die Vergütung der von Oftalma nach dem mit der CIOV geschlossenen Vertrag (im Folgenden: streitiger Vertrag) erbrachten Gesundheitsleistungen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92/50
Rz. 3
Die Richtlinie 92/50 legt in ihrem Abschnitt II eine „zweistufige” Anwendung fest. Gemäß Art. 8 werden Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, d. h. nach den Art. 11 bis 37 der Richtlinie. Demgegenüber werden nach Art. 9 der Richtlinie „Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IB sind, … gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben”.
Rz. 4
Art. 14 der Richtlinie 92/50 ist in Abschnitt IV der Richtlinie enthalten, der die gemeinsamen technischen Vorschriften betrifft.
Rz. 5
Art. 16 dieser Richtlinie in deren Abschnitt V „Gemeinsame Bekanntmachungsvorschriften”) sieht in Abs. 1 vor, dass die Auftraggeber, die einen Auftrag vergeben, dem Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union eine Bekanntmachung über die Ergebnisse des Vergabeverfahrens schicken.
Rz. 6
Art. 27 Abs. 3 der Richtlinie 92/50 bestimmt:
„Vergeben die Auftraggeber einen Auftrag im Verhandlungsverfahren gemäß Artikel 11 Absatz 2, so darf bei einer hinreichenden Anzahl geeigneter Bewerber die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber nicht unter drei liegen.”
Rz. 7
Anhang IB dieser Richtlinie führt eine Reihe von Dienstleistungskategorien auf, zu denen in Kategorie 25 auch das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen gehört.
Richtlinie 2004/18/EG
Rz. 8
Nach den Art. 20 un...