Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Niederlassungsfreiheit. Richtlinie 98/5/EG. Ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde. Voraussetzungen für die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaats. Vorherige Überprüfung der Kenntnis der Sprachen des Aufnahmemitgliedstaats. Verbot, Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften auszuüben. Verpflichtung zur jährlichen Vorlage einer Bescheinigung der Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, verstoßen, dass es die Eintragung bei der zuständigen nationalen Stelle von Rechtsanwälten, die ihre berufliche Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat als dem Großherzogtum Luxemburg erworben haben und unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung in diesem Mitgliedstaat tätig sein möchten, von einer vorherigen Überprüfung von Sprachkenntnissen abhängig gemacht hat, dass es diesen Anwälten die Ausübung von Tätigkeiten der Domizilierung von Gesellschaften untersagt hat und dass es sie dazu verpflichtet hat, jährlich eine Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle ihres Herkunftsstaats vorzulegen.
2. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 29. April 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani und A. Bordes als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch S. Schreiner als Bevollmächtigten im Beistand von L. Dupong, avocat,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, R. Schintgen, K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, E. Levits, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Mai 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77, S. 36), verstoßen hat, dass es gegenüber den Rechtsanwälten, die ihre Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben und sich im luxemburgischen Hoheitsgebiet unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung niederlassen möchten, Erfordernisse in Bezug auf die Sprachkenntnisse, ein Verbot der Ausübung der Tätigkeit eines Domizilhalters (domiciliataire) von Gesellschaften und die Verpflichtung zur jährlichen Vorlage einer Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats beibehalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Die Richtlinie 98/5
2 Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 98/5 lautet:
„Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.”
3 Artikel 3 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift „Eintragung bei der zuständigen Stelle” und bestimmt:
„(1) Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen.
(2) Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats nimmt die Eintragung des Rechtsanwalts anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vor. Sie kann verlangen, dass diese von der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats erteilte Bescheinigung im Zeitpunkt ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate ist. Sie setzt die zuständige Stelle des Herkunftsstaats von der Eintragung in Kenntnis.
…”
4 Artikel 5 der Richtlinie 98/5 trägt die Überschrift „Tätigkeitsfeld” und lautet:
„(1) Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 übt der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt die gleichen beruflichen Tätigkeiten wie der unter der jeweiligen Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats niedergelassene Rechtsanwalt aus und kann insbesondere Rec...