Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlautere Geschäftspraktike. Verkaufsbroschüre, die eine falsche Information enthält. Einstufung als ‚irreführende Geschäftspraxis’. Fall, in dem dem Gewerbetreibenden kein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht zur Last gelegt werden kann
Normenkette
Richtlinie 2005/29/EG
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass im Fall einer Geschäftspraxis, die alle in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für eine Einstufung als den Verbraucher irreführende Praxis erfüllt, nicht geprüft zu werden braucht, ob eine solche Praxis auch den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie widerspricht, um sie als unlauter und mithin nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verboten ansehen zu können.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 5. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 26. August 2011, in dem Verfahren
CHS Tour Services GmbH
gegen
Team4 Travel GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der CHS Tour Services GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt E. Köll,
- der Team4 Travel GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Stock,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, K. Szíjjártó und Z. Biró-Tóth als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Petkovska und U. Persson als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CHS Tour Services GmbH (im Folgenden: CHS) und der Team4 Travel GmbH (im Folgenden: Team4 Travel) wegen einer Werbebroschüre der Letztgenannten, die eine falsche Information enthält.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 6 bis 8, 11 bis 14 sowie 17 und 18 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken heißt es:
„(6) Die vorliegende Richtlinie gleicht … die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar … schädigen. … Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; …
(7) Diese Richtlinie bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen. …
(8) Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. …
…
(11) Das hohe Maß an Konvergenz, das die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch diese Richtlinie hervorbringt, schafft ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau. Diese Richtlinie stellt ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftlic...