Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfe. Von Frankreich durchgeführte Beihilferegelung. Unbeschränkte staatliche Garantie, die dem Institut Français du Pétrole (IFP) durch die Verleihung des Status eines ‚Établissement public à caractère industriel et commercial’ (öffentlicher Wirtschaftsbetrieb, EPIC) gewährt wird. Beschluss, mit dem festgestellt wird, dass diese Maßnahme teilweise keine staatliche Beihilfe darstelle und teilweise, vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Bedingungen, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Begriff ‚Beihilferegelung’. Vermutung des Bestehens eines Vorteils. Beweislast und Beweismaß
Beteiligte
Kommission/Frankreich und IFP Énergies nouvelles |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 26. Mai 2016, Frankreich und IFP Énergies nouvelles/Kommission (T-479/11 und T-157/12, EU:T:2016:320), wird aufgehoben, soweit das Gericht damit Art. 1 Abs. 3 bis 5 sowie die Art. 2 bis 12 des Beschlusses 2012/26/EU der Kommission vom 29. Juni 2011 über die staatliche Beihilfe C 35/08 (ex NN 11/08) Frankreichs zugunsten des „Institut Français du Pétrole” für nichtig erklärt hat.
2. Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. August 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky und D. Grespan als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Französische Republik, vertreten durch D. Colas und J. Bousin als Bevollmächtigte,
IFP Énergies nouvelles mit Sitz in Rueil-Malmaison (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: E. Morgan de Rivery und E. Lagathu, avocats,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano (Berichterstatter), des Richters A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Dezember 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 26. Mai 2016, Frankreich und IFP Énergies nouvelles/Kommission (T-479/11 und T-157/12, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:320), soweit das Gericht damit Art. 1 Abs. 3 bis 5 sowie die Art. 2 bis 12 des Beschlusses 2012/26/EU der Kommission vom 29. Juni 2011 über die staatliche Beihilfe C 35/08 (ex NN 11/08) Frankreichs zugunsten des „Institut Français du Pétrole” (ABl. 2012, L 14, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 1 der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) bestimmte:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
a) ‚Beihilfen’ alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Artikels [107 Absatz 1 AEUV] erfüllen;
…
c) ‚neue Beihilfen’ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;
d) ‚Beihilferegelung’ eine Regelung, wonach Unternehmen, die in der Regelung in einer allgemeinen und abstrakten Weise definiert werden, ohne nähere Durchführungsmaßnahmen Einzelbeihilfen gewährt werden können, beziehungsweise eine Regelung, wonach einem oder mehreren Unternehmen nicht an ein bestimmtes Vorhaben gebundene Beihilfen für unbestimmte Zeit und/oder in unbestimmter Höhe gewährt werden können;
e) ‚Einzelbeihilfen’ Beihilfen, die nicht aufgrund einer Beihilferegelung gewährt werden, und einzelne anmeldungspflichtige Zuwendungen aufgrund einer Beihilferegelung;
…”
Rz. 3
Nr. 1.2 „Garantieformen”) der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel [107] und [108 AEUV] auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften (ABl. 2008, C 155, S. 10, im Folgenden: Mitteilung über Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften) sieht vor:
„Garantien werden in der Regel für Kredite oder sonstige finanzielle Verpflichtungen übernommen, die Kreditnehmer mit Kreditgebern vereinbaren wollen. Garantien können einzeln oder im Rahmen von Garantieregelungen übernommen werden.
Je nach Rechtsgrundlage, Art der garantierten Transaktion, Laufzeit u. ä. lassen sich jedoch verschiedene Formen von Garantien unterscheiden. Dazu gehören unter anderem:
…