Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Warenverkehr. Nationale Regelung. Verschreibungspflichtige Humanarzneimittel. Abgabe durch Apotheken. Festsetzung einheitlicher Preise. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkung. Maßnahme gleicher Wirkung. Rechtfertigung. Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen
Normenkette
AEUV Art. 34, 36
Beteiligte
Deutsche Parkinson Vereinigung |
Deutsche Parkinson Vereinigung e. V |
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V |
Tenor
1. Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne dieses Artikels darstellt, da sie sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirkt als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken.
2. Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne dieses Artikels gerechtfertigt werden kann, da sie nicht geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 30. März 2015, in dem Verfahren
Deutsche Parkinson Vereinigung e. V.
gegen
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan (Berichterstatter), A. Arabadjiev, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Deutsche Parkinson Vereinigung e. V., vertreten durch Rechtsanwalt T. Diekmann, K. Nordlander, advokat, M. Meulenbelt, advocaat, und D. Costesec, Solicitor,
- des Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., vertreten durch Rechtsanwalt C. Dechamps und J. Schwarze,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Lippstreu als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, E. Karlsson und L. Swedenborg als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve, J. Herkommer und A. Sipos als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 und 36 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. (im Folgenden: DPV) und dem Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (im Folgenden: ZBUW) wegen der Festsetzung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel im deutschen Recht.
Deutscher Rechtsrahmen
Arzneimittelgesetz
Rz. 3
§ 78 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) bestimmt:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird ermächtigt, …
1. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden,
…
festzusetzen. …”
Rz. 4
Mit Gesetz vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) wurde folgender Satz in § 78 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes eingefügt:
„Die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen worden ist, gilt auch für Arzneimittel, die gemäß § 73 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.”
Rz. 5
Der von § 78 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes in Bezug genommene § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a dieses Gesetzes betrifft Arzneimittel, die im Wege des Versandhandels von einer Apotheke mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union an Endverbraucher in Deutschland abgegeben werden. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entschied mit Beschluss vom 22. August 2012, dass wie die geänderte Fassung auch die frühere Fassung des Arzneimittelgesetzes dahin auszulegen sei, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für einen solchen Versandhandel gelte.
Rz. 6
§ 78 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes sieht vor:
„Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apo...