Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Anwendungsbereich der Richtlinie. Verkauf eines Großhändlers an Einzelhändler. Zuständigkeit des Gerichtshofs. Nationale Regelung, die Verlustverkäufe allgemein verbietet. Ausnahmen, die auf Kriterien beruhen, die in der Richtlinie nicht vorgesehen sind
Normenkette
Richtlinie 2005/29/EG
Beteiligte
Europamur Alimentación SA |
Dirección General de Comercio y Protección del Consumidor de la Comunidad Autónoma de la Región de Murcia |
Tenor
Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die ein allgemeines Verbot enthält, Waren mit Verlust zum Kauf anzubieten oder zu verkaufen, und für dieses Verbot Ausnahmetatbestände vorsieht, die auf Kriterien beruhen, die in dieser Richtlinie nicht vorgesehen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Contencioso-Administrativo n° 4 de Murcia (Verwaltungsgericht Nr. 4 Murcia, Spanien) mit Entscheidung vom 27. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2016, in dem Verfahren
Europamur Alimentación SA
gegen
Dirección General de Comercio y Protección del Consumidor de la Comunidad Autónoma de la Región de Murcia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Europamur Alimentación SA, vertreten durch F. Bueno Sánchez, Procurador, und A. García Medina, abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und G. Goddin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt im ABl. 2009, L 253, S. 18).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Europamur Alimentación SA (im Folgenden: Europamur) und der Dirección General de Comercio y Protección del Consumidor de la Communidad Autónoma de la Región de Murcia (Generaldirektion für Handel und Verbraucherschutz der Autonomen Gemeinschaft der Region Murcia, Spanien), zuvor Dirección General de Consumo, Comercio y Artesanóa de la Comunidad Autónoma de la Región de Murcia (Generaldirektion für Verbraucher, Handel und Handwerk der Autonomen Gemeinschaft der Region Murcia, im Folgenden: Regionalverwaltung), über die Rechtmäßigkeit einer verwaltungsrechtlichen Sanktion, die gegen Europamur wegen eines Verstoßes gegen das im spanischen Einzelhandelsrecht vorgesehene Verbot von Verlustverkäufen verhängt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 6, 8 und 17 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken heißt es:
„(6) Die vorliegende Richtlinie gleicht … die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen. … Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. …
…
(8) Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor...