Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Rechtshängigkeit. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR). Bestimmungen über das Nebeneinander. Rückgriffsklage. Negative Feststellungsklage. Negatives Feststellungsurteil
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 27, 33, 71; CMR Art. 31 Abs. 2
Beteiligte
Nipponkoa Insurance Co. (Europe) Ltd |
Tenor
1. Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, ein internationales Übereinkommen in einer Weise auszulegen, die die Wahrung der dieser Verordnung zugrunde liegenden Ziele und Grundsätze nicht unter mindestens ebenso günstigen Bedingungen gewährleistet wie denen, die diese Verordnung vorsieht.
2. Art. 71 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung von Art. 31 Abs. 2 des am 19. Mai 1956 in Genf unterzeichneten Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr in der Fassung des am 5. Juli 1978 in Genf unterzeichneten Protokolls entgegensteht, wonach eine negative Feststellungsklage oder ein negatives Feststellungsurteil in einem Mitgliedstaat nicht denselben Anspruch betrifft wie eine wegen desselben Schadens zwischen denselben Parteien oder ihren Rechtsnachfolgern in einem anderen Mitgliedstaat anhängig gemachte Leistungsklage.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Krefeld (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Oktober 2012, in dem Verfahren
Nipponkoa Insurance Co. (Europe) Ltd
gegen
Inter-Zuid Transport BV,
Beteiligte:
DTC Surhuisterveen BV,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Nipponkoa Insurance Co. (Europe) Ltd, vertreten durch Rechtsanwalt T. Pünder,
- der Inter-Zuid Transport BV, vertreten durch J. P. Eckoldt und C. P. ten Bruggencate, advocaten,
- der DTC Surhuisterveen BV, vertreten durch Rechtsanwalt D. A. Nickelsen sowie durch J. Van Blaaderen und A. J. W. Spijker, advocaten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Kemper und F. Wannek als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und S. Duarte Afonso als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 71 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nipponkoa Insurance Co. (Europe) Ltd (im Folgenden: Nipponkoa Insurance) und der Inter-Zuid Transport BV (im Folgenden: Inter-Zuid Transport) wegen Zahlung eines Ausgleichs von 500 000 Euro als Entschädigung für einen Schaden, der bei einer Beförderung von Waren im internationalen Straßengüterverkehr entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 44/2001
Rz. 3
Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:
„Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu erlassen.”
Rz. 4
Der sechste Erwägungsgrund dieser Verordnung lautet:
„Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.”
Rz. 5
Die Erwägungsgründe 11, 12 und 15 bis 17 dieser Verordnung stellen klar:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein, außer...