Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinschaftlicher Sortenschutz. Schutzwirkungen. Mehrphasiges Schutzsystem. Anbau von Sortenbestandteilen und Ernte ihrer Früchte. Unterscheidung zwischen den an den Sortenbestandteilen und den am Erntegut vorgenommenen Handlungen. Begriff der Verwendung von Sortenbestandteilen ohne Zustimmung. Vorläufiger Schutz
Normenkette
EGV Nr. 2100/94 Art. 13 Abs. 2-3, Art. 95
Beteiligte
Club de Variedades Vegetales Protegidas |
Club de Variedades Vegetales Protegidas |
Adolfo Juan Martínez Sanchís |
Tenor
1. Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit des Anbaus einer geschützten Sorte und der Ernte ihrer nicht als Vermehrungsgut verwendbaren Früchte der Zustimmung des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes für diese Pflanzensorte bedarf, sofern die in Art. 13 Abs. 3 der Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2100/94 ist dahin auszulegen, dass die nicht als Vermehrungsgut verwendbaren Früchte einer Pflanzensorte nicht als dadurch gewonnen angesehen werden können, dass im Sinne dieser Bestimmung „Sortenbestandteile [dieser Pflanzensorte] ohne Zustimmung verwendet wurden”, wenn diese Sortenbestandteile in der Zeit zwischen der Bekanntmachung des Antrags auf gemeinschaftlichen Sortenschutz für diese Pflanzensorte und dessen Erteilung von einer Baumschule vermehrt und an einen Landwirt verkauft worden sind. Wurden diese Sortenbestandteile nach Erteilung dieses Schutzes ohne Zustimmung des Schutzinhabers vermehrt und verkauft, kann der Schutzinhaber sein Recht nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Verordnung in Bezug auf die Früchte geltend machen, es sei denn, er hatte hinreichend Gelegenheit, sein Recht im Zusammenhang mit diesen Sortenbestandteilen geltend zu machen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 6. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 7. März 2018, in dem Verfahren
Club de Variedades Vegetales Protegidas
gegen
Adolfo Juan Martínez Sanchís
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und A. Kumin,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Club de Variedades Vegetales Protegidas, vertreten durch P. Tent Alonso, abogado, sowie durch V. Gigante Pérez, G. Navarro Pérez und I. Pérez-Cabrero Ferrández, abogadas,
- von Herrn Martínez Sanchís, vertreten durch C. Kraus Frutos, abogada, und durch M. L. Maestre Gómez, procuradora,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos, E. Leftheriotou und A. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers, I. Galindo Martín, G. Koleva, F. Castilla Contreras und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1994, L 227, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Club de Variedades Vegetales Protegidas (im Folgenden: CVVP), der die Rechte des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes für die Mandarinenbaumsorte „Nadorcott” vertritt, und Herrn Adolfo Juan Martínez Sanchís wegen seiner Nutzung von Setzlingen dieser Sorte.
Rechtlicher Rahmen
UPOV-Übereinkommen
Rz. 3
Das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961 in der Fassung vom 19. März 1991 (im Folgenden: UPOV-Übereinkommen) wurde im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch Beschluss des Rates vom 30. Mai 2005 (ABl. 2005, L 192, S. 63) genehmigt.
Rz. 4
Art. 14 des UPOV-Übereinkommens bestimmt:
„ [Handlungen in Bezug auf Vermehrungsmaterial]
Vorbehaltlich der Artikel 15 und 16 bedürfen folgende Handlungen in Bezug auf Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte der Zustimmung des Züchters:
i) die Erzeugung oder Vermehrung,
ii) die Aufbereitung für Vermehrungszwecke,
iii) das Feilhalten,
iv) der Verkauf oder ein sonstiger Vertrieb,
v) die Ausfuhr,
vi) die Einfuhr,
vii) die Aufbewahrung zu einem der unter den Nummern i bis vi erwähnten Zwecke.
- Der Züchter kann seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen.
- [Handlungen in Bezug auf Erntegut] Vorbehaltlich der Artikel 15 und 16 bedürfen die in Absatz 1 Buchstabe a unter den Nummern i bis vii erwähnten Handlungen in Bezug auf Erntegut, einschließlich ganzer Pflanzen und Pflanzenteile, das durch ungenehmigte Benutzung...