Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Staatliche Beihilfen. Agrarsektor. Schlachtung von Tieren, die an Infektionskrankheiten leiden. Entschädigung der Tierzüchter. Anmelde- und Stillhaltepflichten. Begriffe ‚bestehende Beihilfe’ und ‚neue Beihilfe’. Freistellungen nach Beihilfearten. De-minimis-Beihilfen -

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 659/1999; Verordnung (EU) Nr. 1408/2013; AEUV Art. 108 Abs. 3; Verordnung (EU) Nr. 702/2014

 

Beteiligte

Azienda Sanitaria Provinciale di Catania

Azienda Sanitaria Provinciale di Catania

Assessorato della Salute della Regione Siciliana

 

Tenor

Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine von einem Mitgliedstaat eingeführte Maßnahme, mit der für einen Zeitraum, der sich über mehrere Jahre erstreckt, und in Höhe von 20 Mio. Euro zum einen eine Entschädigung für Tierzüchter, die gezwungen gewesen waren, an Infektionskrankheiten leidende Tiere zu schlachten, und zum anderen die Honorare der freiberuflich tätigen Tierärzte, die für die Sanierungstätigkeiten eingesetzt wurden, finanziert werden sollen, dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren der Vorabkontrolle zu unterziehen ist, wenn diese Maßnahme nicht von einer Genehmigungsentscheidung der Europäischen Kommission gedeckt ist, es sei denn, sie erfüllt die in der Verordnung (EU) Nr. 702/2014 der Kommission vom 25. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Arten von Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] oder die in der Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] auf De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor vorgesehenen Voraussetzungen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 14. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Februar 2019, in dem Verfahren

Azienda Sanitaria Provinciale di Catania

gegen

Assessorato della Salute della Regione Siciliana,

Beteiligter:

AU,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra (Berichterstatter), D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Azienda Sanitaria Provinciale di Catania, vertreten durch A. Ravì, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Garofoli, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Georgieva und D. Recchia als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Dezember 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 107 und 108 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Azienda Sanitaria Provinciale di Catania (lokale Gesundheitsbehörde von Catania, Italien) (im Folgenden: ASPC) und dem Assessorato della Salute della Regione Siciliana (Gesundheitsreferat der Region Sizilien, Italien) über einen Mahnbescheid gegen die ASPC auf Zahlung einer Entschädigung an AU, einen Tierzüchter, der gezwungen gewesen war, an Infektionskrankheiten leidende Tiere zu schlachten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 659/1999

Rz. 3

In Art. 1 Buchst. b Ziff. ii und Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

b) ‚bestehende Beihilfen’

ii) genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden;

c) ‚neue Beihilfen’ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen”.

Verordnung (EG) Nr. 794/2004

Rz. 4

Art. 4 („Anmeldung bestimmter Änderungen bestehender Beihilfen im vereinfachten Verfahren”) der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. 2004, L 140, S. 1) lautet:

„(1) Für den Zweck von Artikel 1 Buchstabe c) der Verordnung … Nr. 659/1999 ist die Änderung einer bestehenden Beihilfe jede Änderung, außer einer Änderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Würdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahme mit dem [Binnenmarkt] haben kann. Eine Erhöhung der Ausgangsmittel für eine bestehende Beihilfe bis zu 20 % wird jedoch nicht als Änderung einer bestehenden Beihilfe angesehen.

(2) Folgende Änderungen bestehender Beihilfen werden auf dem Anmeldeformular für das vereinfachte Verfahren in Anhang II mitgeteilt:

  1. über 20%ige Erhöhungen der Mittel für eine genehmigte Beihilferegelung;
  2. die Verlängerung eine...

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