Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung. Asylpolitik. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Antrag auf internationalen Schutz. Unzulässigkeitsgründe. Begriff ‚Folgeantrag’. Durch einen Mitgliedstaat erfolgende Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig wegen der Ablehnung eines früheren Antrags, den der Betroffene in einem Drittstaat gestellt hat, der mit der Europäischen Union ein Übereinkommen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem der Vertragsstaaten dieses Übereinkommens gestellten Asylantrags geschlossen hat. Bestandskräftige Entscheidung des Königreichs Norwegen
Normenkette
Richtlinie 2013/32/EU Art. 2 Buchst. q, Art. 33 Abs. 2 Buchst. d
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. q dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn er im betreffenden Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellt worden ist, der zuvor in einem Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist gemäß dem Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags – Erklärungen umsetzt, einen erfolglosen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt hatte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2020, in dem Verfahren
L.R.
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch A. Schumacher als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch G. Wils, A. Azéma und M. Condou-Durande, dann durch G. Wils, A. Azéma und L. GrØnfeldt als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. März 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen L.R. und der Bundesrepublik Deutschland über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – Außenstelle Boostedt (Deutschland) (im Folgenden: Bundesamt), mit dem der Asylantrag von L.R. als unzulässig abgelehnt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2011/95/EU
Rz. 3
Gemäß ihrem Art. 1 besteht der Zweck der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) darin, Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festzulegen.
Rz. 4
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) dieser Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚internationaler Schutz’...