Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung. Asylpolitik. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes. Antrag auf internationalen Schutz. Unzulässigkeitsgründe. Begriff ‚Folgeantrag’. Durch einen Mitgliedstaat erfolgende Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig wegen der Ablehnung eines früheren Antrags, den der Betroffene im Königreich Dänemark gestellt hat. Bestandskräftige Entscheidung des Königreichs Dänemark
Normenkette
Richtlinie 2013/32/EU Art. 2 Buchst. q, Art. 33 Abs. 2 Buchst. d
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie sowie mit Art. 2 des dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks
ist dahin auszulegen, dass
er der Regelung eines anderen Mitgliedstaats als des Königreichs Dänemark entgegensteht, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 ganz oder teilweise als unzulässig abgelehnt werden kann, der in diesem Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen gestellt wird, dessen früherer, im Königreich Dänemark gestellter Antrag auf internationalen Schutz von letzterem Mitgliedstaat abgelehnt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2021, in dem Verfahren
SI,
TL,
ND,
VH,
YT,
HN
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič und D. Gratsias (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Azema, L. Grønfeldt und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SI, TL, ND, VH, YT und HN auf der einen und der Bundesrepublik Deutschland auf der anderen Seite wegen der Rechtmäßigkeit eines Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – Außenstelle Boostedt (Deutschland) (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihre Anträge auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Protokoll über die Position Dänemarks
Rz. 3
Die Art. 1 und 2 des dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks (im Folgenden: Protokoll über die Position Dänemarks) lauten:
„Artikel 1
Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des [AEU-Vertrags] vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme des Vertreters der Regierung Dänemarks erforderlich.
Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 238 Absatz 3 des [AEUV].
Artikel 2
Vorschriften des Dritten Teils Titel V des [AEU-Vertrags], nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der [Europäischen] Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, sind für Dänemark nicht bindend oder anwendbar. Diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen berühren in keiner Weise die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten Dänemarks; ebenso wenig berühren diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen in irgendeiner Weise den Besitzstand der Gemeinschaft oder der Union oder sind sie Teil des Unionsrechts, soweit sie auf Dänemark Anwendung finden. Insbesondere sind Rechtsakte der Union auf dem Gebiet der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angenommen wurden und die geändert werden, für Dänemark ohn...