Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Begriff ‚Beihilfe’. Begriff ‚wirtschaftlicher Vorteil’. Kriterium des privaten Gläubigers. Voraussetzungen für die Anwendbarkeit. Anwendung. Ermittlungspflichten der Europäischen Kommission
Beteiligte
Kommission / Frucona Košice |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 26. Mai 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Walkerová, L. Armati, T. Maxian Rusche und B. Stromsky als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Frucona Košice a.s. mit Sitz in Košice (Slowakei), vertreten durch K. Lasok, QC, B. Hartnett, Barrister, J. Holmes, QC, und Rechtsanwalt O. Geiss,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Mai 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. März 2016, Frucona Košice/Kommission (T-103/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:152), mit dem das Gericht den Beschluss 2014/342/EU der Kommission vom 16. Oktober 2013 über die staatliche Beihilfe SA.18211 (C 25/05) (ex NN 21/05), die die Slowakische Republik zugunsten von Frucona Košice a.s. gewährt hatte (ABl. 2014, L 176, S. 38 im Folgenden: streitiger Beschluss), für nichtig erklärt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 1 bis 34 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst:
„Entwicklung der Lage [von Frucona Košice] und Vergleichsverfahren
1 Die … Frucona Košice a.s. ist eine Gesellschaft slowakischen Rechts, die u. a. alkoholische Getränke und Spirituosen herstellte.
2 Von November 2002 bis November 2003 wurde [Frucona Košice] mehrfach ein Zahlungsaufschub für geschuldete Verbrauchsteuern gewährt. Dieser Zahlungsaufschub wurde jeweils gewährt, nachdem sie der für sie zuständigen örtlichen Steuerbehörde, dem Finanzamt Košice IV (im Folgenden: örtliche Steuerbehörde), finanzielle Sicherheiten gestellt hatte.
3 Am 25. Februar 2004 konnte [Frucona Košice] wegen der finanziellen Schwierigkeiten, in denen sie sich befand, die für Januar 2004 geschuldeten Verbrauchsteuern nicht entrichten. Infolge einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2004 konnte [Frucona Košice] für diese Verbrauchsteuern keinen Zahlungsaufschub mehr erhalten.
4 [Frucona Košice] wurde deshalb die Lizenz zur Herstellung und Verarbeitung von alkoholischen Getränken und Spirituosen entzogen. Seither hat sie ihre Tätigkeit darauf beschränkt, Spirituosen unter der Marke ‚Frucona’ zu vertreiben, die sie bei O.H. kaufte, einem Unternehmen, das diese gemäß einer Vereinbarung mit [Frucona Košice] in deren Spirituosenfabriken unter Lizenz produzierte.
5 Außerdem trat die Überschuldung [von Frucona Košice] im Sinne des Zákon č. 328/1991 Zb. o konkurze a vyrovnaní (Gesetz Nr. 328/1991 über Insolvenz- und Vergleichsverfahren) ein.
6 Am 8. März 2004 reichte [Frucona Košice] beim Krajský súd v Košiciach (Bezirksgericht Košice) (Slowakei) einen Antrag auf Eröffnung eines Vergleichsverfahrens ein und schlug ihren Gläubigern vor, jedem von ihnen 35 % des geschuldeten Betrags zu zahlen (im Folgenden: Vergleichsvorschlag). Die gesamten Schulden [von Frucona Košice] beliefen sich auf etwa 644,6 Mio. slowakische Kronen (SKK) [(etwa 21,4 Mio. Euro)]; davon waren etwa 640,8 Mio. SKK [(etwa 21,3 Mio. Euro)] Steuerschulden.
7 Mit Beschluss vom 29. April 2004 genehmigte das Krajský súd v Košiciach [(Bezirksgericht Košice)] die Eröffnung des Vergleichsverfahrens.
8 Am 9. Juli 2004 stimmten die Gläubiger [von Frucona Košice] einschließlich der örtlichen Steuerbehörde in einer Vergleichsverhandlung dem Vergleichsvorschlag zu. Im Rahmen dieses Vergleichsverfahrens trat die örtliche Steuerbehörde als Sondergläubigerin auf, wobei ihr diese Eigenschaft aufgrund der Sicherheiten zukam, die zu ihren Gunsten bei den Zahlungsaufschüben für die von [Frucona Košice] geschuldeten Verbrauchsteuern gestellt worden waren (siehe oben, Rn. 2).
9 [Frucona Košice] bringt vor, sie habe vor dem 9. Juli 2004 der örtlichen Steuerbehörde u. a. einen Prüfbericht vorgelegt, den eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt habe (im Folgenden: Bericht E), damit diese Behörde die jeweiligen Vorteile eines Vergleichs bzw. eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens beurteilen könne.
10 Am 21. Juni 2004 nah...