Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Sicherheit. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Art. 77 und 78. Rentner, denen Renten nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten geschuldet werden. Behinderte Kinder. Familienleistungen für unterhaltsberechtigte Kinder. Anspruch auf Leistungen im ehemaligen Beschäftigungsstaat. Bestehen eines Anspruchs auf entsprechende Leistungen im Wohnmitgliedstaat. Fehlen eines Antrags. Wahl einer mit den Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder unvereinbaren Leistung bei Invalidität. Begriff ‚Leistung für unterhaltsberechtigte Kinder’. Wahrung des im ehemaligen Beschäftigungsmitgliedstaat erworbenen Besitzstands
Beteiligte
Dolores Verdún Espinosa als Rechtsnachfolgerin des José Bernal Fernández |
Tenor
1. Art. 77 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i und Art. 78 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, wie sie durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 geändert worden ist, sind dahin gehend auszulegen, dass Empfänger von Alters- und/oder Invaliditätsrenten oder Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für die die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben, deren Rentenansprüche für sich oder ihre Waisen aber ausschließlich auf den Rechtsvorschriften des ehemaligen Beschäftigungsmitgliedstaats beruhen, von den zuständigen Behörden dieses Staates die nach dessen Rechtsvorschriften zugunsten behinderter Kinder vorgesehenen Familienbeihilfen in voller Höhe beanspruchen können, obwohl sie im Wohnmitgliedstaat die nach dessen Rechtsvorschriften vorgesehenen vergleichbaren höheren Leistungen nicht beantragt haben, weil sie sich für die Gewährung einer anderen Leistung für Behinderte entschieden haben, die mit diesen Beihilfen unvereinbar ist, sofern der Anspruch auf die Familienbeihilfen im ehemaligen Beschäftigungsmitgliedstaat allein nach dessen Rechtsvorschriften erworben wurde.
2. Die Antwort auf die dritte Frage ist mit der Antwort auf die ersten beiden Fragen identisch, wenn es den Betroffenen aufgrund der Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats nicht möglich ist, sich für die Zahlung der Familienbeihilfen in diesem Staat zu entscheiden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sozialgericht Nürnberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. April 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2010, in dem Verfahren
Juan Pérez García,
José Arias Neira,
Fernando Barrera Castro,
Dolores Verdún Espinosa als Rechtsnachfolgerin des José Bernal Fernández
gegen
Familienkasse Nürnberg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Barrera Castro, vertreten durch A. González Maeztu, Abteilungsleiter im spanischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main,
- der deutschen Regierung, vertreten durch N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch B. Plaza Cruz und S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juni 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 77 und 78 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, wie sie durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) geändert worden ist (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von vier Rechtsstreitigkeiten zwischen Juan Pérez García, José Arias Neira, Fernando Barrera Castro und Dolores Verdún Espinosa als Rechtsnachfolgerin von José Bernal Fernández (im Folgenden: Kläger) einerseits und der Familienkasse Nürnberg (im Folgenden: Familienkasse) andererseits wegen der Weigerung der Familienkasse, den Klägern für ihre volljährigen behinderten Kinder Kindergeld zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Union...