Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf österreichisches Kinderbetreuungsgeld. Nicht berücksichtigte Zeiten des Bezugs von Familienleistungen in einem anderen Mitgliedstaat. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
Beteiligte
Tiroler Gebietskrankenkasse |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001, steht dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat sich weigert, bei der Gewährung einer Familienleistung wie des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes die Bezugszeiten einer vergleichbaren Leistung in einem anderen Mitgliedstaat genauso zu berücksichtigen, als wären sie in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidung vom 30. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Dezember 2006, in dem Verfahren
Malina Klöppel
gegen
Tiroler Gebietskrankenkasse
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter L. Bay Larsen, K. Schiemann (Berichterstatter) und P. Kūris sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Klöppel, vertreten durch D. Rief,
- der Tiroler Gebietskrankenkasse, vertreten durch A. Bramböck als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 und 72 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 (ABl. L 187, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), und des Art. 10a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 410/2002 der Kommission vom 27. Februar 2002 (ABl. L 62, S. 17) (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Klöppel und der Tiroler Gebietskrankenkasse wegen des Zeitraums, in dem die Betroffene in Österreich Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Art. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 („Gleichbehandlung”) bestimmt:
„(1) Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.
…”
Rz. 4
In Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 („Sachlicher Geltungsbereich”) heißt es:
„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
…
h) Familienleistungen.
…”
Rz. 5
Art. 72 der Verordnung Nr. 1408/71 („Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Tätigkeit”) lautet:
„Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Tätigkeit abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, auch Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, als handelte es sich um Zeiten, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.”
Rz. 6
Art. 10a der Verordnung Nr. 574/72 („Vorschriften für Arbeitnehmer oder Selbständige, für die während ein und desselben Zeitraums oder eines Teils eines Zeitraums nacheinander Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten galten”) bestimm...