Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Beihilfe zugunsten eines Ausbildungsvorhabens für bestimmte Arbeitsplätze im neuen Zentrum von DHL am Flughafen Leipzig/Halle. Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung, mit der ein Teil der Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird. Prüfung der Erforderlichkeit der Beihilfe. Nichtberücksichtigung der Anreizeffekte der Beihilfe und ihrer positiven externen Effekte für die Standortwahl
Beteiligte
Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. September 2010,
Freistaat Sachsen,
Land Sachsen-Anhalt,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Rosenfeld,
Rechtsmittelführer,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Richter A. Rosas und U. Lõhmus,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen der Freistaat Sachsen und das Land Sachsen-Anhalt die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 8. Juli 2010, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission (T-396/08, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 2008/878/EG der Kommission vom 2. Juli 2008 über die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten von DHL gewähren will (ABl. L 312, S. 31, im Folgenden: streitige Entscheidung), abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Die Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Ausbildungsbeihilfen (ABl. L 10, S. 20) wurde aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel [87] und [88] des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. L 142, S. 1) erlassen, durch die die Europäische Kommission ermächtigt wird, gemäß Art. 107 AEUV zu erklären, dass Ausbildungsbeihilfen unter bestimmten Bedingungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind und nicht der Anmeldungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen.
Rz. 3
Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 68/2001 sieht im Wesentlichen vor, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Ausbildungsbeihilfen anzumelden, durch die Verordnung nicht berührt wird und dass die angemeldeten Regelungen von der Kommission in erster Linie anhand der in der Verordnung festgelegten Kriterien geprüft werden.
Rz. 4
Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 68/2001 sind außerhalb von Beihilferegelungen gewährte Einzelbeihilfen, die alle in ihr aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und unterliegen nicht der Anmeldungspflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV.
Rz. 5
Art. 4 der Verordnung Nr. 68/2001 legt die Grenzen fest, die hinsichtlich der Intensität der Einzelbeihilfen für Ausbildungszwecke eingehalten werden müssen, damit diese von der Anmeldungspflicht ausgenommen werden können. Nach der Definition in Art. 2 der Verordnung entspricht die Beihilfeintensität der in Prozent der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens ausgedrückten Höhe der Bruttobeihilfe.
Rz. 6
Nach Art. 5 der Verordnung Nr. 68/2001 gilt diese Freistellung nicht für Beihilfen, deren Höhe für ein einzelnes Ausbildungsvorhaben eines Unternehmens 1 Million Euro übersteigt. Wie aus Satz 2 des 16. Erwägungsgrundes hervorgeht, gilt nämlich für Beihilfen, die diesen Betrag übersteigen, das Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 7
DHL gehört zu den führenden Konzernen im Sektor für Expresssendungen. Ihre Anteile werden zu 100 % von der Deutsche Post AG gehalten. Nach Verhandlungen mit verschiedenen Flughäfen beschloss DHL im Jahr 2005, ihr europäisches Luftfrachtdrehkreuz vom Flughafen Brüssel (Belgien) zum Flughafen Leipzig/Halle (Deutschland) zu verlegen. DHL errichtete dort dementsprechend ein neues Logistikzentrum für Expresssendungen und Luftfracht, das seit April 2008 vollständig in Betrieb ist. Im Rahmen dieser Ansiedlung wurde DHL eine Regionalbeihilfe in Höhe von 70 855 000 Euro gewährt, hinsichtlich deren die Kommission in der Entscheidung vom 20. April 2004 (Staatliche Beihilfe Nr. N 608/2003 – Luftlogistikzentrum von DHL Airways GmbH in Leipzig/Halle) keine Einwände erhob.
Rz. 8
Mit Schreiben vom 21. ...