Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. An eine Fremdwährung gebundenes Hypothekendarlehen. Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Umrechnungsklausel. Nationales Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Informationspflicht
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
mBank (Registre polonais des clauses illicites) |
Tenor
1.Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel von den betreffenden nationalen Behörden allein deshalb als missbräuchlich angesehen wird, weil sie inhaltlich der Bestimmung eines Vertragsmusters entspricht, die in das nationale Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingetragen ist.
2.Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass eine Vertragsklausel, die wegen der in ihr vorgesehenen Bedingungen für die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen des betreffenden Verbrauchers als missbräuchlich anzusehen ist, diese Missbräuchlichkeit aufgrund einer anderen Klausel dieses Vertrags, die vorsieht, dass der Verbraucher seine Verpflichtungen unter anderen Bedingungen erfüllen kann, nicht verlieren kann.
3.Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass ein Gewerbetreibender verpflichtet ist, den betreffenden Verbraucher über die wesentlichen Merkmale des mit ihm geschlossenen Vertrags und die mit diesem Vertrag verbundenen Risiken zu belehren, und zwar auch dann, wenn dieser Verbraucher bei ihm beschäftigt ist und über entsprechende Kenntnisse der Materie dieses Vertrags verfügt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-139/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla Warszawy – Řródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau – Řródmieście, Polen) mit Entscheidung vom 18. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Februar 2022, in dem Verfahren
AM,
PM
gegen
mBank S.A.,
Beteiligter:
Rzecznik Finansowy,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von AM und PM, vertreten durch W. Bochenek und T. Zaremba, Radcowie prawni,
- – der mBank S.A., vertreten durch A. Cudna-Wagner, Radca prawny, und B. Miąskiewicz, Adwokat,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,
- – der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, A. Cunha, B. Lavrador, L. Medeiros und A. Pimenta als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín, S. L. Kalėda, U. Małecka und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einerseits AM und PM, zwei Verbrauchern, und andererseits der mBank S.A., über die Verwendung von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die mBank S.A., die in das nationale Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: nationales Register unzulässiger Klauseln) eingetragen sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:
„Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“.
Rz. 4
Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bedeute[t]:
…
b) Verbraucher: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“.
Rz. 5
Art. 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahm...