Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Arbeitnehmer, der in zwei Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausgeübt hat. Nach nationalem Recht für den Erwerb des Anspruchs auf eine Altersrente erforderliche Mindestversicherungszeit. Berücksichtigung der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Beitragszeiten. Zusammenrechnung. Berechnung des Betrags der geschuldeten Rentenleistung
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 52 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Zakład Ubezpieczeń Społecznych I Oddział w Warszawie |
Zakład Ubezpieczeń Społecznych I Oddział w Warszawie |
Tenor
Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass der zuständige Träger des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen der Berechnung des theoretischen Betrags der Leistung gemäß Ziff. i dieser Vorschrift bei der Bestimmung der Grenze, die die beitragsfreien Versicherungszeiten im Verhältnis zu den Beitragszeiten nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht übersteigen dürfen, alle Versicherungszeiten zu berücksichtigen hat, auch die nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten zurückgelegten, während im Rahmen der Berechnung des tatsächlich geschuldeten Betrags gemäß Ziff. ii der Vorschrift allein die nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen), mit Entscheidung vom 19. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 27. November 2019, in dem Verfahren
SC
gegen
Zakład Ubezpieczeń Społecznych I Oddział w Warszawie
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richter J. Passer und F. Biltgen (Berichterstatter), der Richterin L. S. Rossi und des Richters N. Wahl,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Zakład Ubezpieczeń Społecznych I Oddział w Warszawie, Prozessbevollmächtigte: J. Piotrowski und S. Żółkiewski, radcowie prawni,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Pavliš und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und M. Brauhoff als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. April 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigung: ABl. 2004, L 200, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SC und dem Zakład Ubezpieczeń Społecznych I Oddział w Warszawie (Sozialversicherungsanstalt, Geschäftsstelle I Warschau, Polen) (im Folgenden: Rentenversicherungsstelle) wegen der Bestimmung des Betrags der anteiligen Altersrente, die ihm die Rentenversicherungsstelle zu zahlen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung (ABl. 1997, L 28, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) wurde am 1. Mai 2010, dem Tag, an dem die Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar wurde, aufgehoben.
Verordnung Nr. 1408/71
Rz. 4
In Art. 1 Buchst. r der Verordnung Nr. 1408/71 war der Begriff „Versicherungszeiten” definiert als „die Beitrags-, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer Selbständigentätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind”.
Rz. 5
Art. 45 („Berücksichtigung der Versicherungs- oder Wohnzeiten, die nach Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind, die für den Arbeitnehmer oder Selbständigen im Hinblick auf den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs galten”) bestimmte in Abs. 1:
„Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Anspruchs auf die Leistungen eines Systems, das kein Sondersyst...