Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Öffentlicher Dienst. Beamte. Disziplinarverfahren. Disziplinarstrafe. Verwaltungsuntersuchung. Erfordernis der objektiven Unparteilichkeit. Anschlussrechtsmittel. Ablehnung eines Beistandsantrags. Anspruch auf rechtliches Gehör
Normenkette
Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 41 Abs. 1-2
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel und das Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Das Europäische Parlament trägt die Kosten des Rechtsmittels.
3. UZ trägt die Kosten des Anschlussrechtsmittels.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Dezember 2019,
Europäisches Parlament, vertreten durch V. Montebello-Demogeot und I. Lázaro Betancor als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführer,
andere Partei des Verfahrens:
UZ, Prozessbevollmächtigter: J.-N. Louis, avocat,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juni 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Europäische Parlament die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. September 2019, UZ/Parlament (T-47/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:650), mit dem dieses die Entscheidung des Generalsekretärs des Parlaments vom 27. Februar 2017 über die Verhängung der Disziplinarstrafe der Zurückstufung von der Besoldungsgruppe AD 13, Dienstaltersstufe 3, in die Besoldungsgruppe AD 12, Dienstaltersstufe 3, unter Zurücksetzung der in der Besoldungsgruppe AD 13 erworbenen Verdienstpunkte auf null (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückstufung und die Zurücksetzung der Verdienstpunkte auf null) gegen UZ aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen hat.
Rz. 2
Mit ihrem Anschlussrechtsmittel beantragt UZ, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über die Ablehnung ihres Beistandsantrags zurückgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in seiner auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) sieht vor:
„Die Union leistet ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.
Sie ersetzt solidarisch den erlittenen Schaden, soweit ihn der Beamte weder vorsätzlich noch grobfahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadenersatz von dem Urheber erlangen konnte.”
Rz. 4
Art. 86 des Statuts bestimmt:
„(1) Gegen Beamte oder ehemalige Beamte, die vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen durch das Statut auferlegten Pflichten verletzen, kann eine Disziplinarstrafe verhängt werden.
(2) Werden der Anstellungsbehörde oder dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung [(OLAF)] Tatsachen zur Kenntnis gebracht, die auf eine Verletzung der Dienstpflichten im Sinne von Absatz 1 schließen lassen, so können diese eine Verwaltungsuntersuchung einleiten, um zu prüfen, ob eine solche Dienstpflichtverletzung vorliegt.
(3) Die Disziplinarvorschriften und -verfahren sowie die für Verwaltungsuntersuchungen geltenden Vorschriften und Verfahren sind in Anhang IX des Statuts geregelt.”
Rz. 5
Anhang IX Art. 16 Abs. 1 und 2 des Statuts bestimmt:
„(1) Der betreffende Beamte wird vom Disziplinarrat gehört; dabei kann er sich schriftlich oder mündlich äußern, entweder persönlich oder durch einen von ihm bestimmten Vertreter. Er kann Zeugen benennen.
(2) Das Organ ist vor dem Disziplinarrat durch einen von der Anstellungsbehörde beauftragten Beamten vertreten und hat den Rechten des betreffenden Beamten entsprechende Rechte.”
Rz. 6
Anhang IX Art. 22 des Statuts lautet:
„(1) Innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Stellungnahme des Disziplinarrates erlässt die Anstellungsbehörde nach Anhörung des Beamten eine Verfügung gemäß den Artikeln 9 und 10 dieses Anhangs. Die Verfügung ist zu begründen.
(2) Beschließt die Anstellungsbehörde, den Fall abzuschließen, ohne eine Disziplinarstrafe zu verhängen, so ist der betreffende Beamte unverzüglich schriftlich darüber zu unterrichten. Der Beamte kann beantragen, dass die Entscheidung in seine Personalakte aufgenommen wird.”
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 7
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 27 des angefochtenen Urteils dargelegt worden und kann für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammengefasst werden.
Rz. 8
UZ hatte seit dem 1. Jan...