Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Selbständige Handelsvertreter. Begriff ‚Handelsvertreter’. Selbständiger Gewerbetreibender, der seine Tätigkeit von den Geschäftsräumen des Unternehmers aus verrichtet. Erfüllung anderer Aufgaben als der, die mit der Vermittlung des Verkaufs oder des Ankaufs von Waren für den Unternehmer in Zusammenhang stehen
Normenkette
Richtlinie 86/653/EWG Art. 1 Abs. 2
Beteiligte
Tenor
1. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass eine Person, die ständig damit betraut ist, für eine andere Person den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte in deren Namen und für deren Rechnung abzuschließen, ihre Tätigkeit von den Geschäftsräumen dieser anderen Person aus verrichtet, nicht dem entgegensteht, sie als „Handelsvertreter” im Sinne dieser Bestimmung einstufen zu können, vorausgesetzt, dieser Umstand hindert diese Person nicht daran, ihre Tätigkeit unabhängig auszuüben, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass eine Person nicht nur Tätigkeiten ausübt, die in der Vermittlung des Verkaufs und des Ankaufs von Waren für eine andere Person oder dem Abschluss dieser Geschäfte in deren Namen und für deren Rechnung bestehen, sondern für diese andere Person auch Tätigkeiten anderer Art wahrnimmt, ohne dass die Letzteren im Verhältnis zu den Ersteren nebenberufliche Tätigkeiten wären, nicht dem entgegensteht, sie als „Handelsvertreter” im Sinne dieser Richtlinie einstufen zu können, sofern dieser Umstand sie nicht daran hindert, die ersteren Tätigkeiten unabhängig auszuüben, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de commerce de Liège (Handelsgericht Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 20. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2017, in dem Verfahren
Zako SPRL
gegen
Sanidel SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin), der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Sanidel SA, vertreten durch H. Deckers, avocat,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und E. Lankenau als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Garofoli, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juli 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. 1986, L 382, S. 17).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zako SPRL und der Sanidel SA wegen Erfüllung von Leistungen und Zahlung von Provisionen nach dem Ende der zwischen diesen beiden Gesellschaften bestehenden Vereinbarung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 86/653 heißt es:
„Die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Handelsvertretungen beeinflussen die Wettbewerbsbedingungen und die Berufsausübung innerhalb der [Europäischen Union] spürbar und beeinträchtigen den Umfang des Schutzes der Handelsvertreter in ihren Beziehungen zu ihren Unternehmen sowie die Sicherheit im Handelsverkehr. Diese Unterschiede erschweren im Übrigen auch erheblich den Abschluss und die Durchführung von Handelsvertreterverträgen zwischen einem Unternehmer und einem Handelsvertreter, die in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.
Der Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten muss unter Bedingungen erfolgen, die denen eines Binnenmarktes entsprechen, weswegen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in dem zum guten Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlichen Umfang angeglichen werden müssen. Selbst vereinheitlichte Kollisionsnormen auf dem Gebiet der Handelsvertretung können die erwähnten Nachteile nicht beseitigen und lassen daher einen Verzicht auf die vorgeschlagene Harmonisierung nicht zu.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie 86/653 sieht vor:
„(1) Die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Harmonisierungsmaßnahmen gelten für die Rechts- und Verwaltungsvors...