Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Erga-omnes-Wirkung missbräuchlicher Klauseln, die in einem öffentlichen Register aufgeführt sind. Geldbuße, die gegen einen Gewerbetreibenden wegen der Verwendung einer Klausel verhängt wurde, die als mit der in diesem Register eingetragenen Klausel gleichwertig angesehen wird. Gewerbetreibender, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, das zur Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel geführt hat. Begriff ‚einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können’
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 2009/22/EG
Beteiligte
Biuro podróży „Partner” sp. z o.o. sp.k. w Dąbrowie Górniczej |
Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów |
Tenor
1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen sowie im Licht von Art. 47 der Charta sind dahin auszulegen, dass sie es nicht verbieten, die Verwendung von Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die inhaltlich mit Klauseln übereinstimmen, die durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung für unzulässig erklärt und in ein nationales Register der für unzulässig erklärten Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen eingetragen worden sind, in Bezug auf einen Gewerbetreibenden, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, das zur Eintragung der betreffenden Klauseln in dieses Register führte, als rechtswidrige Handlung anzusehen, sofern – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – diesem Gewerbetreibenden ein effektiver Rechtsbehelf zusteht, und zwar sowohl gegen die Entscheidung, mit der die Gleichwertigkeit der verglichenen Klauseln festgestellt wird, in Bezug auf die Frage, ob diese Klauseln unter Berücksichtigung sämtlicher für den jeweiligen Fall maßgeblichen Umstände, insbesondere im Hinblick auf die von ihnen zum Nachteil der Verbraucher hervorgerufenen Wirkungen, inhaltlich mit den im Register eingetragenen übereinstimmen, als auch gegen die Entscheidung, mit der gegebenenfalls die Höhe der verhängten Geldbuße festgesetzt wird.
2. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Gericht wie das vorlegende Gericht, dessen Entscheidungen, die im Rahmen eines Rechtsstreits wie dem des Ausgangsverfahrens ergehen, mit einer Kassationsbeschwerde angefochten werden können, nicht als „einzelstaatliche[s] Gericht …, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können”, anzusehen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 19. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2015, in dem Verfahren
Biuro podróży „Partner” sp. z o.o. sp.k. w Dąbrowie Górniczej
gegen
Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Biuro podróży „Partner” sp. z o.o. sp.k. w Dąbrowie Górniczej, vertreten durch I. Bryła-Rokicka, Rechtsberaterin,
- des Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów, vertreten durch D. Sprzączkowska, Rechtsberaterin,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Nowak und M. Kamejsza als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin, A. Szmytkowska und D. Roussanov als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) in Verbindung mit Art. 1 und 2 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. 2009, L 110, S. 30) sowie von Art. 267 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Biuro podróży „Partner” sp. z o.o. sp.k. w Dąbrowie Górniczej (im Folgenden: Biuro Partner) und dem Prezes Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Präsident des Amts für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, Polen). Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Verwendung von Bestimmungen in allgeme...