Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit. Unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist. Selektives Vertriebsnetz. Wiederverkauf außerhalb eines Vertriebsnetzes im Internet. Klage auf Unterlassung der unrechtmäßigen Störung. Anknüpfungspunkt
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Beteiligte
Amazon Services Europe Sàrl |
Samsung Electronics France SAS |
Tenor
Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist im Hinblick auf die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit nach dieser Bestimmung für eine Haftungsklage wegen des Verstoßes gegen ein Verbot des Wiederverkaufs außerhalb eines selektiven Vertriebsnetzes, der darauf beruht, dass Produkte, die Gegenstand dieses Vertriebsnetzes sind, auf in verschiedenen Mitgliedstaaten betriebenen Websites angeboten werden, dahin auszulegen, dass als Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats anzusehen ist, der dieses Verkaufsverbot durch die in Rede stehende Klage schützt und in dessen Hoheitsgebiet der Kläger einen Schaden erlitten zu haben behauptet.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 10. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 2015, in dem Verfahren
Concurrence SARL
gegen
Samsung Electronics France SAS,
Amazon Services Europe Sàrl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Š;váby,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Concurrence SARL, vertreten durch P. Ricard, avocat,
- der Amazon Services Europe Sàrl, vertreten durch A. Bénabent und M. Jéhannin, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und C. David als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch D. Holderer als Bevollmächtigte im Beistand von M. Thewes, avocat,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und M. Heller als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. November 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Concurrence SARL mit Sitz in Frankreich auf der einen und der ebenfalls in Frankreich ansässigen Samsung Electronics France SAS (im Folgenden: Samsung) sowie der Amazon Services Europe Sàrl (im Folgenden: Amazon) mit Sitz in Luxemburg auf der anderen Seite wegen eines behaupteten Verstoßes gegen Verbote des Wiederverkaufs außerhalb eines selektiven Vertriebsnetzes über einen Marktplatz durch Online-Verkaufsangebote auf mehreren in verschiedenen Mitgliedstaaten betriebenen Websites.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 wurde mit dieser im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts bezweckt, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.
Rz. 4
In den Erwägungsgründen 11, 12 und 15 dieser Verordnung hieß es:
„(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
…
(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden...