Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Arbeitnehmer, der unter Beibehaltung seiner ursprünglichen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats erworben hat. Berechtigte. Familienangehöriger. Verwandte in gerader aufsteigender Linie, denen von einem Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft Unterhalt gewährt wird. Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate. Beibehaltung des Abhängigkeitsstatus im Aufnahmemitgliedstaat. Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Sozialhilfeleistungen. Unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats
Normenkette
AEUV Art. 21, 45; Richtlinie 2004/38/EG; Richtlinie 2004/38/EG Art. 3, 2 Nr. 2 Buchst. d, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, d, Art. 14 Abs. 2; Verordnung (EU) Nr. 492/2011 Art. 7 Abs. 2
Beteiligte
Chief Appeals Officer u.a. |
Social Welfare Appeals Office |
The Minister for Employment Affairs and Social Protection |
Tenor
Der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union konkretisierte Art. 45 AEUV in Verbindung mit Art. 2 Nr. 2 Buchst. d, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und d sowie Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG
ist dahin auszulegen, dass
er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es den Behörden dieses Mitgliedstaats erlaubt, einem Verwandten in gerader aufsteigender Linie, dem zum Zeitpunkt der Beantragung dieser Leistung von einem Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft Unterhalt gewährt wird, eine Sozialhilfeleistung zu versagen oder sogar das Recht, sich für mehr als drei Monate in diesem Mitgliedstaat aufzuhalten, zu entziehen, weil die Gewährung der Sozialhilfeleistung dazu führen würde, dass er keinen Unterhalt mehr von diesem Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft beziehen und damit die Sozialhilfeleistungen dieses Staates unangemessen in Anspruch nehmen würde.
Tatbestand
In der Rechtssache C-488/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) mit Entscheidung vom 27. Juli 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2021, in dem Verfahren
GV
gegen
Chief Appeals Officer,
Social Welfare Appeals Office,
The Minister for Employment Affairs and Social Protection,
Irland,
The Attorney General
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan, F. Biltgen und N. Piçarra, der Richter S. Rodin und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi, der Richter A. Kumin (Berichterstatter) und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele, des Richters D. Gratsias und der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von GV, vertreten durch D. Shortall, SC, P. Brazil, BL, und S. Kirwan, Solicitor,
- – des Chief Appeals Officer, des Social Welfare Appeals Office, des Minister for Employment Affairs and Social Protection, von Irland und des Attorney General, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Delaney und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von N. J. Travers, SC, und A. Carroll, BL,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – der dänischen Regierung, vertreten durch M. Jespersen, C. Maertens, V. Pasternak Jørgensen, M. Søndahl Wolff und Y. T. Thyregod Kollberg als Bevollmächtigte,
- – der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, R. Kanitz und N. Scheffel als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und J. Tomkin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Februar 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG,...