Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen. Schutz des Entscheidungsprozesses. Der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels vorgelegte Dokumente. Beschluss, einem Dritten Zugang zu den Dokumenten zu gewähren. Allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit. Keine Pflicht eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union, eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit anzuwenden
Normenkette
EGV Nr. 1049/2001 Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich, Abs. 3
Beteiligte
PTC Therapeutics International / EMA |
PTC Therapeutics International Ltd |
Europäische Arzneimittelagentur (EMA) |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die PTC Therapeutics International Ltd trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) entstandenen Kosten.
3. Die European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. März 2018,
PTC Therapeutics International Ltd mit Sitz in Dublin (Irland), Prozessbevollmächtigte: G. Castle, B. Kelly und K. Ewert, Solicitors, C. Thomas, Barrister, und M. Demetriou, QC,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Arzneimittelagentur (EMA), vertreten durch zunächst T. Jabłonski, S. Marino, S. Drosos, A. Spina und A. Rusanov, dann durch T. Jabłonski, S. Marino und S. Drosos als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs (Eucope) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: S. Cowlishaw, Solicitor, und D. Scannell, Barrister,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie der Richter S. Rodin, D. Šváby und N. Piçarra,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die PTC Therapeutics International Ltd die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 5. Februar 2018, PTC Therapeutics International/EMA (T-718/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:66), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses EMA/722323/2015 der EMA vom 25. November 2015 abgewiesen hat, mit dem einem Dritten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu einem Dokument gewährt worden war, das Daten enthält, die im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Translarna vorgelegt worden waren (im Folgenden: streitiger Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 2
Art. 39 Abs. 3 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen), sieht vor:
„Mitglieder, in denen die Vorlage nicht offenbarter Test- oder sonstiger Daten, deren Erstellung beträchtlichen Aufwand verursacht, Voraussetzung für die Marktzulassung pharmazeutischer oder agrochemischer Erzeugnisse ist, in denen neue chemische Stoffe verwendet werden, schützen diese Daten vor unlauterem gewerblichen Gebrauch. Darüber hinaus schützen die Mitglieder solche Daten vor Offenbarung, es sei denn, dass diese zum Schutz der Öffentlichkeit notwendig ist oder dass Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Daten vor unlauterem gewerblichen Gebrauch geschützt werden.”
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. 2000, L 18, S. 1) sieht vor:
„Wurde nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels für seltene Leiden erteilt oder haben alle Mitgliedstaaten eine Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels nach den in den Artikeln 7 und 7a der Richtlinie 65/65/EWG oder in Artikel 9 Absatz 4 der Richtlinie...