Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen. Schutz des Entscheidungsprozesses. Der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Tierarzneimittels vorgelegte Dokumente. Beschluss, einem Dritten Zugang zu den Dokumenten zu gewähren. Allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit. Keine Pflicht eines Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union, eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit anzuwenden
Normenkette
EGV Nr. 1049/2001 Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich, Abs. 3
Beteiligte
MSD Animal Health Innovation und Intervet international / EMA |
MSD Animal Health Innovation GmbH |
Intervet International BV |
Europäische Arzneimittelagentur (EMA) |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die MSD Animal Health Innovation GmbH und die Intervet International BV tragen neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) entstandenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 7. März 2018,
MSD Animal Health Innovation GmbH mit Sitz in Schwabenheim (Deutschland),
Intervet International BV mit Sitz in Boxmeer (Niederlande),
Prozessbevollmächtigte: C. Thomas, Barrister, J. Stratford, QC, B. Kelly, Solicitor, und P. Bogaert, advocaat,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Arzneimittelagentur (EMA), vertreten durch zunächst T. Jablonski, S. Marino, S. Drosos und A. Rusanov, dann T. Jablonski, S. Marino und S. Drosos als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie der Richter S. Rodin, D. Šváby und N. Piçarra,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die MSD Animal Health Innovation GmbH und die Intervet international BV die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 5. Februar 2018, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA (T-729/15, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:67), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses EMA/785809/2015 der EMA vom 25. November 2015 abgewiesen hat, mit dem einem Dritten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu Dokumenten gewährt wurde, die Informationen enthalten, die im Rahmen eines Antrags auf Genehmigung des Inverkehrbringens des Tierarzneimittels Bravecto vorgelegt worden waren (im Folgenden: streitiger Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 2
Art. 39 Abs. 3 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation, das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen), sieht vor:
„Mitglieder, in denen die Vorlage nicht offenbarter Test- oder sonstiger Daten, deren Erstellung beträchtlichen Aufwand verursacht, Voraussetzung für die Marktzulassung pharmazeutischer oder agrochemischer Erzeugnisse ist, in denen neue chemische Stoffe verwendet werden, schützen diese Daten vor unlauterem gewerblichen Gebrauch. Darüber hinaus schützen die Mitglieder solche Daten vor Offenbarung, es sei denn, dass diese zum Schutz der Öffentlichkeit notwendig ist oder dass Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Daten vor unlauterem gewerblichen Gebrauch geschützt werden.”
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet:
„Zweck dieser Verordnung ist es:
a) die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Artikel 255 [EG] niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (nachstehend ‚Organe’ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist”.
Rz. 4
Art. 4 („Ausnahmeregelung”) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 1:
„(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, d...