Entscheidungsstichwort (Thema)
Einnahmen aus Glücksspielgewinnen, Spielcasino, Glücksspiele, Sonstige Einkünfte, Glücksspielgewinne aus anderen Mitgliedstaaten
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 52 AEUV und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die Gewinne bei Glücksspielen in Spielkasinos in anderen Mitgliedstaaten der Einkommensteuer unterwerfen und ähnliche Einkünfte aus Spielkasinos im Inland von dieser Steuer befreien.
Normenkette
AEUV Art. 52, 56
Beteiligte
Agenzia delle Entrate - Direzione Provinciale I di Roma - Ufficio Controlli |
Verfahrensgang
Commissione Tributaria di Roma (Urteil vom 28.05.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 260/26) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Beschränkungen ‐ Steuerrecht ‐ Einkünfte aus Gewinnen bei Glücksspielen ‐ Unterschiedliche Besteuerung von Gewinnen bei Glücksspielen in Spielkasinos im In- und Ausland“
In den verbundenen Rechtssachen C-344/13 und C-367/13
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Roma (Italien) mit Entscheidungen vom 28. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni und 1. Juli 2013 in den Verfahren
Cristiano Blanco (C-344/13),
Pier Paolo Fabretti (C-367/13)
gegen
Agenzia delle Entrate ‐ Direzione Provinciale I di Roma ‐ Ufficio Controlli
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Blanco und Herrn Fabretti, vertreten durch M. Rosa und S. Cristaldi, avvocati,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und R. Verbeke, advocaten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Recchia und W. Roels als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 46 EG und 49 EG, nunmehr Art. 52 AEUV und 56 AEUV.
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Blanco bzw. Herrn Fabretti und der Agenzia delle Entrate ‐ Direzione Provinciale I di Roma ‐ Ufficio Controlli (im Folgenden: Agenzia) wegen ihrer Steuerbescheide.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309, S. 15) bestimmt in ihrem Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. f, dass sie für Kasinos gilt.
Italienisches Recht
Rz. 4
Art. 67 Abs. 1 Buchst. d des Dekrets Nr. 917 des Präsidenten der Republik zur Verabschiedung des Testo unico über die Einkommensteuer (Decreto del Presidente della Repubblica n. 917 ‐ Approvazione del testo unico delle imposte sui redditi) vom 22. Dezember 1986 (Supplemento ordinario zum GURI Nr. 302 vom 31. Dezember 1986) in seiner zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse geltenden Fassung (im Folgenden: DPR 917/86), stellt „Gewinne bei für die Öffentlichkeit veranstalteten Lotterien, Preisausschreiben, Spielen und Wetten sowie Preise aus Geschicklichkeitsprüfungen und Verlosungen“ verschiedenen Einkünften, die als solche Teil der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer sind, gleich.
Rz. 5
In Art. 69 Abs. 1 dieses Dekrets heißt es, dass die in seinem Art. 67 Abs. 1 Buchst. d genannten Preise und Gewinne „in Höhe des gesamten im Besteuerungszeitraum erlangten Betrags ohne jeglichen Abzug Einkünfte darstellen“.
Rz. 6
Art. 30 Abs. 1 des Dekrets Nr. 600 des Präsidenten der Republik vom 29. September 1973 über gemeinsame Bestimmungen zur Festsetzung der Einkommensteuer (Supplemento ordinario zum GURI Nr. 268 vom 16. Oktober 1973) bestimmt:
„… Gewinne aus Verlosungen, Geschicklichkeitsspielen, Preisausschreiben, Vorhersagen und Wetten, die vom Staat, öffentlichen oder privaten juristischen Personen und von den in Art. 23 Abs. 1 des vorliegenden Dekrets genannten Personen ausgezahlt werden, werden steuerlich einer Einbehaltung an der Quelle mit Abwälzungsmöglichkeit unterworfen, unter Ausschluss der Fälle, in denen andere Bestimmungen bereits die Vornahme einer Einbehaltung an der Quelle vorsehen. Eine Einbehaltung an der Quelle wird nicht vorgenommen, wenn der Gesamtwert der Preise … 50 000 Lire [25,82 Euro] nicht übersteigt; bei Überschreitung dieser Grenze ist der Betrag gänzlich der Einbehaltung unterworfen.“
Rz. 7
Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung auf Gewinne, die von ita...