Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Nichteintreibung von Beiträgen, Säumniszuschlägen und Zinsen. Zulässigkeit. Kriterium des privaten Gläubigers
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Das Königreich Spanien trägt außer seinen eigenen Kosten die Kosten der Lenzing AG.
3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 27. Dezember 2004,
Königreich Spanien, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführer,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und J. Buendía Sierra als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Núñez-Müller, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Lenzing AG mit Sitz in Lenzing (Österreich), vertreten durch Rechtsanwalt U. Soltész,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), R. Schintgen, A. Borg Barthet und E. Levits,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. Februar 2007
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Königreich Spanien die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Oktober 2004, Lenzing/Kommission (T-36/99, Slg. 2004, II-3597, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem die Entscheidung 1999/395/EG der Kommission vom 28. Oktober 1998 über Beihilfen Spaniens zugunsten von Sniace, SA, mit Sitz in Torrelavega, Kantabrien (ABl. 1999, L 149, S. 40, im Folgenden: Entscheidung vom 28. Oktober 1998), geändert durch die Entscheidung 2001/43/EG der Kommission vom 20. September 2000 (ABl. 2001, L 11, S. 46) (im Folgenden: streitige Entscheidung), für teilweise nichtig erklärt worden war.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt
2 In den Randnrn. 8 bis 29 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt wie folgt dargestellt:
„8 Die Lenzing AG [im Folgenden: Lenzing] ist eine österreichische Gesellschaft, die Zellulosefasern (Viskose, Modal und Lyocell) herstellt und vertreibt.
9 Die Sniace, SA (im Folgenden: Sniace), ist ein spanisches Unternehmen, das Zellulose, Papier, Viskosefasern, Kunstfasern und Natriumsulfat herstellt. …
10 Im März 1993 erklärten die spanischen Gerichte die Sniace, die seit mehreren Jahren unter wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten litt, für zahlungsunfähig. Im Oktober 1996 trafen die privaten Gläubiger der Sniace ein Übereinkommen, mit dem 40 % ihrer Forderungen in Aktien dieses Unternehmens umgewandelt wurden und das zur Beendigung der Zahlungsunfähigkeit führte. Die öffentlichen Gläubiger der Sniace machten von ihrem Recht Gebrauch, sich nicht an diesem Übereinkommen zu beteiligen.
11 Am 5. November 1993 und am 31. Oktober 1995 traf die Sniace mit dem Fogasa [spanischer Lohngarantiefonds] Vereinbarungen über die Erstattung der ausstehenden Löhne, Gehälter und Abfindungen, die der Fogasa den Arbeitnehmern der Sniace gezahlt hatte. Nach der ersten Vereinbarung waren binnen acht Jahren 897 652 789 ESP zuzüglich 465 055 911 ESP Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 10 % in halbjährlichen Raten zurückzuzahlen (im Folgenden: Vereinbarung vom 5. November 1993). Nach der zweiten Vereinbarung waren binnen acht Jahren 229 424 860 ESP zuzüglich 110 035 018 ESP Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 9 % in halbjährlichen Raten zurückzuzahlen (im Folgenden: Vereinbarung vom 31. Oktober 1995). Zur Sicherung der Forderungen des Fogasa bestellte die Sniace zu seinen Gunsten am 10. August 1995 eine Hypothek auf zwei ihrer Grundstücke. Im Juni 1998 belief sich der von der Sniace im Rahmen dieser beiden Vereinbarungen zurückgezahlte Betrag auf 186 963 594 ESP.
12 Am 8. März 1996 schloss die Tesorería General de la Seguridad Social (Allgemeine Kasse der Sozialen Sicherheit, im Folgenden: TGSS) mit der Sniace eine Umschuldungsvereinbarung über Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 2 903 381 848 ESP, die den Zeitraum von Februar 1991 bis Februar 1995 betraf (im Folgenden: Vereinbarung vom 8. März 1996). Nach dieser Vereinbarung sollte der genannte Betrag bis März 2004 in 96 Monatsraten zuzüglich Zinsen zum gesetzlichen Zinssatz von 9 % zurückgezahlt werden. Die Vereinbarung wurde am 7. Mai 1996 dahin gehend geändert, dass ein Zahlungsaufschub von einem Jahr, eine Rückzahlung in 84 Monatsraten und die Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes von 9 % vereinbart wurden (im Folgenden: Vereinbarung vom 7. Mai 1996). Na...