Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds und Pensionskassen, Dividendenbesteuerung, Ungleichbehandlung gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Pensionskassen oder Pensionsfonds
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind.
3. Die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Leitsatz (redaktionell)
Klageabweisung wegen der Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat, dass sie Rechtsvorschriften beibehalten hat, nach denen Dividenden, die an beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds gezahlt werden, sowie Zinsen, die an beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds und Pensionskassen gezahlt werden, in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich ungünstiger behandelt werden als Dividenden oder Zinsen, die an in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtige Pensionskassen oder Pensionsfonds gezahlt werden.
Normenkette
AEUV Art. 63; EWR-Abkommen Art. 40
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Besteuerung von Dividenden und Zinsen, die an Pensionsfonds und Pensionskassen gezahlt werden ‐ Behandlung von Dividenden und Zinsen, die an gebietsfremde Einrichtungen gezahlt werden ‐ Abzug von Betriebsausgaben, die mit der Erzielung von Einkünften in Form von Dividenden und Zinsen in unmittelbarem Zusammenhang stehen ‐ Beweislast“
In der Rechtssache C-600/10
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 16. Dezember 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
unterstützt durch:
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,
Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels und C. Schillemans als Bevollmächtigte,
Republik Finnland, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk und S. Johannesson als Bevollmächtigte,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland,vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von G. Facenna, Barrister,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie Rechtsvorschriften beibehalten hat, nach denen Dividenden, die an beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds gezahlt werden, sowie Zinsen, die an beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds und Pensionskassen gezahlt werden, in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich ungünstiger behandelt werden als Dividenden oder Zinsen, die an in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtige Pensionskassen oder Pensionsfonds gezahlt werden.
Deutsches Recht
Rz. 2
Das Einkommensteuergesetz (BGBl. 2002 I S. 4210) in der auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles anwendbaren Fassung (BGBl. 2009 I S. 3366) sieht in § 43a vor:
„(1) Die Kapitalertragsteuer beträgt
1. in den Fällen des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4, 6 bis 7a und 8 bis 12 sowie Satz 2:
25 Prozent des Kapitalertrags;
…
(2) Dem Steuerabzug unterliegen die vollen Kapitalerträge ohne jeden Abzug. …“
Rz. 3
Das Körperschaftsteuergesetz (BGBl. 2002 I S. 4144) in der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden Fassung sieht in § 32 Abs. 1 vor:
„Die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, ist durch den Steuerabzug abgegolten,
…
2. wenn der Bezieher der Einkünfte beschränkt steuerpflichtig ist und die Einkünfte nicht in einem inländischen gewerblichen oder land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb angefallen sind.“
Vorverfahren
Rz. 4
Da die Kommission der Ansicht war, dass die Besteuerungsbedingungen für die an beschränkt steuerpflichtige Pensionsfonds und Pensionskassen gezahlten Dividenden und Zinsen gege...