Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesverwaltungsgericht-Deutschland. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Freiwillige Kündigung des Arbeitsvertrags. Völkerrechtliche Verträge. Freizuegigkeit. Arbeitnehmer. Türkischer Staatsangehöriger, der über vier Jahre lang in einem Mitgliedstaat beschäftigt war und seine Beschäftigung aufgegeben hat. Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Stellensuche. Voraussetzung. Dauer des Aufenthalts. Festlegung innerhalb vernünftiger Grenzen durch die nationalen Rechtsvorschriften oder beim Fehlen solcher Vorschriften durch das nationale Gericht
Leitsatz (amtlich)
Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Arbeitnehmer, der über vier Jahre lang im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß beschäftigt war und freiwillig seine Beschäftigung aufgibt, um in demselben Mitgliedstaat eine neue Beschäftigung zu suchen, dem es jedoch nicht gelingt, unmittelbar anschließend ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, in diesem Staat während eines angemessenen Zeitraums ein Aufenthaltsrecht besitzt, um dort eine neue Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu suchen, sofern er weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats angehört, wobei er gegebenenfalls den Vorschriften der in diesem Staat insoweit geltenden Regelungen nachzukommen hat, z. B. dadurch, daß er sich als Arbeitssuchender meldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht. Es ist Sache des betreffenden Mitgliedstaats und beim Fehlen entsprechender Rechtsvorschriften die des angerufenen nationalen Gerichts, einen solchen angemessenen Zeitraum festzulegen, der jedoch lang genug sein muß, um die tatsächlichen Chancen des Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen.
Normenkette
Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Arbeitnehmer, der über vier Jahre lang im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß beschäftigt war und freiwillig seine Beschäftigung aufgibt, um in demselben Mitgliedstaat eine neue Beschäftigung zu suchen, dem es jedoch nicht gelingt, unmittelbar anschließend ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen, in diesem Staat während eines angemessenen Zeitraums ein Aufenthaltsrecht besitzt, um dort eine neue Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu suchen, sofern er weiterhin dem regulären Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats angehört, wobei er gegebenenfalls den Vorschriften der in diesem Staat insoweit geltenden Regelungen nachzukommen hat, z. B. dadurch, daß er sich als Arbeitssuchender meldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht. Es ist Sache des betreffenden Mitgliedstaats und beim Fehlen entsprechender Rechtsvorschriften die des angerufenen nationalen Gerichts, einen solchen angemessenen Zeitraum festzulegen, der jedoch lang genug sein muß, um die tatsächlichen Chancen des
Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen.
Gründe
1 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 11. April 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im folgenden: Beschluß Nr. 1/80) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingesetzt, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluß 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, 217, S. 3685; im folgenden: Abkommen) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Tetik (im folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), einem türkischen Staatsangehörigen, und dem Land Berlin, in dem es um die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis zum unbefristeten Aufenthalt in Deutschland geht.
3 Aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt sich, daß der Kläger des Ausgangsverfahrens vom September 1980 bis zum 20. Juli 1988 als Seemann auf verschiedenen deutschen Seeschiffen ordnungsgemäß beschäftigt war.
4 Um diese Tätigkeit ausüben zu können, erhielt er von den deutschen Behörden mehrmals nacheinander Aufenthaltserlaubnisse, die immer befristet und auf die Berufsausübung in der Seeschif...