Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhr, Ermittlung des Zollwerts bei Käufen mit Dienstleistungselementen, Transaktionswert
Leitsatz (amtlich)
1. Artikel 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Zahlung für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen, wie Kontaktlinsenberatung, Kontaktlinsenuntersuchung und auf Kontaktlinsen bezogene Nachsorgemaßnahmen, und für die Lieferung von Waren, die aus diesen Kontaktlinsen, den Reinigungslösungen und den Reinigungsbehältern bestehen, insgesamt den „Transaktionswert“ im Sinne des genannten Artikels 29 bildet und folglich steuerpflichtig ist.
2. Die im Urteil vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C-349/96 (CPP) genannten Grundsätze können im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, um zu ermitteln, welche Teile der Transaktion für die Zwecke der Anwendung des genannten Artikels 29 zu berücksichtigen sind.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 29
Beteiligte
Commissioners of Customs & Excise |
Verfahrensgang
VAT and Duties Tribunal Manchester (Vereinigtes Königreich) (Entscheidung vom 24.11.2004) |
Tatbestand
„Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Zollwert ‐ Einfuhrzölle ‐ Lieferung von Waren durch ein Unternehmen mit Sitz auf Jersey und Erbringung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich“
In der Rechtssache C-491/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom VAT and Duties Tribunal, Manchester (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 24. November 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 29. November 2004, in dem Verfahren
Dollond & Aitchison Ltd
gegen
Commissioners of Customs & Excise
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen, P. Kũris (Berichterstatter), G. Arestis und J. Klŭka,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
‐ der Dollond & Aitchison Ltd, vertreten durch K. Parker, QC, im Auftrag der Kanzlei KPMG, Solicitors,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von M. Hall, QC,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 29 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im Folgenden: ZK).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dollond & Aitchison Ltd (im Folgenden: Klägerin) und den Commissioners of Customs & Excise (im Folgenden: Commissioners) über den Zollwert von Kontaktlinsen, die auf dem Postweg von der Insel Jersey (Kanalinseln) in das Vereinigte Königreich versandt werden, wo sie mit Dienstleistungen in Gestalt von Untersuchungen, Beratung und Pflege verbunden werden.
Rechtlicher Rahmen
3
In Artikel 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) wird der Anwendungsbereich dieser Richtlinie wie folgt definiert:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen.“
4
Artikel 3 dieser Richtlinie legt ihren territorialen Anwendungsbereich fest. Nach Artikel 3 Absatz 2 „ist unter ‘Inland’ der Anwendungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wie er in Artikel 227 [nunmehr nach Änderung Artikel 299 EG] für jeden Mitgliedstaat definiert ist“.
5
Artikel 299 Absatz 6 Buchstabe c EG bestimmt, dass „[d]ieser Vertrag … auf die Kanalinseln … nur insoweit Anwendung [findet], als dies erforderlich ist, um die Anwendung der Regelung sicherzustellen, die in dem am 22. Januar 1972 unterzeichneten Vertrag über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft für diese Inseln vorgesehen ist“.
6
Artikel 1 Absatz 1 des Protokolls Nr. 3 im Anhang der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und die Anpassungen der Verträge ...