Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Verzugszinsen durch die Finanzbehörde. Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuern. Mehrwertsteuer. Recht auf Vorsteuerabzug. Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses. Verspätete Erstattung. Berechnung der Zinsen. Modalitäten für die Gewährung von Zinsen, die wegen der Nichtverfügbarkeit eines unter Verstoß gegen das Unionsrecht einbehaltenen Überschusses abzugsfähiger Mehrwertsteuer geschuldet werden, und von Zinsen, die wegen der verspäteten Auszahlung eines geschuldeten Betrags durch die Steuerverwaltung geschuldet werden. Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz
Normenkette
EGRL 112/2006
Beteiligte
Dalmandi Mezőgazdasági Zrt |
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Szekszárdi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn) (Beschluss vom 03.01.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 221/3) |
Szegedi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn) (Beschluss vom 02.01.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 142/23) |
Tenor
1. Das Unionsrecht und insbesondere die Grundsätze der Effektivität und der steuerlichen Neutralität sind dahin auszulegen, dass sie der Praxis eines Mitgliedstaats, die darin besteht, die Zinsen auf die von diesem Mitgliedstaat über einen angemessenen Zeitraum hinaus unter Verstoß gegen das Unionsrecht einbehaltenen Überschüsse abzugsfähiger Mehrwertsteuer unter Anwendung eines Satzes zu berechnen, der dem Basiszinssatz der nationalen Zentralbank entspricht, entgegenstehen, wenn zum einen dieser Satz niedriger ist als der, den ein Steuerpflichtiger, bei dem es sich nicht um ein Kreditinstitut handelt, zahlen müsste, um ein Darlehen in Höhe dieses Betrags aufzunehmen, und zum anderen die Zinsen auf die betreffenden Mehrwertsteuerüberschüsse für einen bestimmten Erklärungszeitraum laufen, ohne dass Zinsen angewandt würden, um dem Steuerpflichtigen einen Ausgleich für die Geldentwertung zu bieten, die auf dem Ablauf der Zeit nach diesem Erklärungszeitraum bis zur tatsächlichen Zahlung dieser Zinsen beruht.
2. Das Unionsrecht und insbesondere die Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz sind dahin auszulegen, dass sie einer Praxis eines Mitgliedstaats, wonach für Anträge auf Zahlung von Zinsen auf den Überschuss abzugsfähiger Mehrwertsteuer, der aufgrund der Anwendung einer für unionsrechtswidrig befundenen nationalen Rechtsvorschrift einbehalten wurde, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gilt, nicht entgegenstehen.
3. Das Unionsrecht und insbesondere der Effektivitätsgrundsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer Praxis eines Mitgliedstaats, wonach erstens die Zahlung von Verzugszinsen, die geschuldet werden, weil die Steuerverwaltung eine bezüglich der Erstattung eines unter Verstoß gegen das Unionsrecht einbehaltenen Mehrwertsteuerüberschusses geschuldete Forderung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist beglichen hat, von der Stellung eines besonderen Antrags abhängt, während in anderen Fällen solche Zinsen von Amts wegen gewährt werden, und zweitens diese Zinsen ab dem Ablauf einer Frist von 30 bzw. 45 Tagen, die der Verwaltung für die Bearbeitung eines solchen Antrags eingeräumt wird, angewandt werden und nicht ab dem Zeitpunkt, zu dem dieser Überschuss entstanden ist, nicht entgegenstehen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Szegedi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szeged, Ungarn) (C-13/18) und vom Szekszárdi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szekszárd, Ungarn) (C-126/18) mit Entscheidungen vom 2. Januar 2018 bzw. vom 3. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Januar 2018 bzw. am 16. Februar 2018, in den Verfahren
Sole-Mizo Zrt. (C-13/18),
Dalmandi Mezőgazdasági Zrt. (C-126/18)
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter P. G. Xuereb und T. von Danwitz (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Sole-Mizo Zrt., vertreten durch L. Maklári, ügyvéd,
- der Dalmandi Mezőgazdasági Zrt., vertreten durch L. Maklári, ügyvéd,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und A. Sipos als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung des Unionsrechts auf dem Gebiet des Rechts auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat.
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Sole-Mizo Zrt. (C-13/18) und der Dalmandi Mezőgazdasági Zrt. (C-126/18) auf der einen u...