Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Mangels Rechtswahl der Parteien anzuwendendes Recht. Speditionsvertrag. Güterbeförderungsvertrag
Normenkette
Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Art. 4 Abs. 1, 5, 4, 2
Beteiligte
Mutuelles du Mans assurances IARD (MMA IARD) |
Axa Corporate Solutions SA |
Tenor
1. Art. 4 Abs. 4 Satz 3 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, ist dahin auszulegen, dass er nur dann auf einen Speditionsvertrag anwendbar ist, wenn dessen Hauptgegenstand die eigentliche Beförderung des betreffenden Gutes ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
2. Art. 4 Abs. 4 des genannten Übereinkommens ist dahin auszulegen, dass das auf einen Güterbeförderungsvertrag anzuwendende Recht, wenn es nicht nach Art. 4 Abs. 4 Satz 2 bestimmt werden kann, nach der allgemeinen Regel des Art. 4 Abs. 1 zu bestimmen ist, was bedeutet, dass dieser Vertrag dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist.
3. Art. 4 Abs. 2 des genannten Übereinkommens ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, falls geltend gemacht wird, dass ein Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat als demjenigen, dessen Recht nach der in Art. 4 Abs. 2 aufgestellten Vermutung anzuwenden wäre, aufweist, die Verbindungen zwischen dem Vertrag und dem Staat, dessen Recht nach der Vermutung anzuwenden wäre, mit denen zwischen dem Vertrag und dem betreffenden anderen Staat zu vergleichen hat. Dabei hat das nationale Gericht alle Umstände einschließlich des Bestehens anderer, mit dem betreffenden Vertrag in engem Zusammenhang stehender Verträge zu berücksichtigen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach dem Ersten Protokoll vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 22. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2013, in dem Verfahren
Haeger & Schmidt GmbH
gegen
Mutuelles du Mans assurances IARD (MMA IARD),
Jacques Lorio,
Dominique Miquel in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Safram intercontinental SARL,
Ace Insurance SA NV,
Va Tech JST SA,
Axa Corporate Solutions SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Haeger & Schmidt GmbH, vertreten durch D. Le Prado, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch J.-S. Pilczer und D. Colas als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch F. Dedousi als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. 1980, L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Haeger & Schmidt GmbH (im Folgenden: Haeger & Schmidt), einer Gesellschaft deutschen Rechts, einerseits, und der Mutuelles du Mans assurances IARD (MMA IARD), Herrn Lorio, Herrn Miquel in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Safram intercontinental SARL (im Folgenden: Safram), einer Gesellschaft französischen Rechts, der Ace Insurance SA NV, der Axa Corporate Solutions SA sowie der Va Tech JST SA (im Folgenden: Va Tech), andererseits, über den Ersatz des Schadens, der Va Tech bei der Beförderung eines Transformators entstanden ist, den sie für die Zwecke ihrer Tätigkeit erworben hatte.
Rechtlicher Rahmen
Übereinkommen von Rom
Rz. 3
Art. 4 („Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht”) des Übereinkommens von Rom sieht vor:
„(1) Soweit das auf den Vertrag anzuwendende Recht nicht nach Artikel 3 vereinbart worden ist, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Lässt sich jedoch ein Teil des Vertrages von dem Rest des Vertrages trennen und weist dieser Teil eine engere Verbindung mit einem anderen Staat auf, so kann auf ihn ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates angewendet werden
(2) Vorbehaltlich des Absatzes 5 wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei...